Druckschrift 
Geschichte der Reformation in der Mark Brandenburg / Adolph Müller
Entstehung
Seite
47
Einzelbild herunterladen

Volks war auf gleiche Weiſe gefchwächt worden, indem ihr ſinn licher Religionscultus ſeine Wirkungen vollendet hatte und die fortgeſetzte Wiederholung des wenig begeiſtigten Ceremoniendien­ſtes keine neuen Eindruͤcke zu machen vermochte. So lange die Welt- und Kloſtergeiſtlichkeit uͤber dem Volke ſtand und dieſes auf ihren hoͤhern Standpunkt zu erheben ſtreben konnte, wirkte ſie heillam und wurde von dem Gefuͤhl ſolcher Wirkſamkeit er hoben zu einem edlen Verhalten und zur Behauptung ihrer ſtrengern Lebensweiſe geſtaͤrkt. Als das Volk ſelbſt zu dieſem hoͤhern Standpunkt heranreifte, und die Bildung des Laienſtan des ſich mit der ihrigen mehr und mehr ins Gleichgewicht ſetzte, verlor ſie nicht nur in der Meinung des Volks, ſondern, was die natuͤrliche Folge, aber das viel ſchlimmere war, auch in ihren eignen Augen. Der Vorzug ihrer Stellung verlor ſeine hoͤhere Berechtigung und wurde ein blos aͤußerer; ihre ſittliche Kraft ward geſchwaͤcht, und ohne ein hoͤheres leitendes Princip verſank ſie, wie aus gleichen Gruͤnden die Kirche im Allgemeinen, in den Zuſtand der Verweltlichung und ſinnlichen Treibens. Waͤhrend des funfzehnten Jahrhunderts war wie von einer Reformation der Kirche uͤberhaupt, ſo insbeſondre von der des Kloſterweſens uͤberall die Rede, allein die Oberen, wenn ſie ſelbſt von einem beſſeren Geiſte erfüllt, das verworfene Leben der Mönche und Nonnen tadelten, konnten zu wenig für eine durchgreifende Um­geſtaltung wirken. Auch ſie ſahen immer nur das Uebel, nicht in feinem Grunde, ſondern in feiner äußern Erſcheinung, und meinten daher, den urſpruͤnglichen Zuſtand des Kloſterlebens durch größere Strenge in der Kirchenzucht wiederherſtellen zu konnen. Am haͤufigſten kam es auch hierzu nicht einmal, indem die Aebte und Prioren, die ſolche Abſichten hegten, von ihren Untergebe nen durch heimliche Intriguen, Verlaͤumdungen und ſelbſt offe nen Widerſpruch ſo lange geſchmaͤht und verfolgt wurden, bis ſie ſich freiwillig aus ihrer Stellung zuruͤckzogen. Selbſt Nonnen wußten ſich durch Liſt oder Gewalt ſolcher Beichtvaͤter zu entle digen, die von echtchriſtlichem Geiſte getrieben durch That und Wort gegen ihr laſterhaftes Leben eiferten und ihre Bekehrung forderten. Reiche junge Leute ins Kloſter ziehen, Küche und Kel­ler bereichern, das ſollte die Hauptſorge der Vorſteher ſein: