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Beruͤhmtheit gelangt ſein, wenn nicht die Zeit ihrer Dauer durch die Stuͤrme verkuͤrzt wäre, welche bald darauf das alte Kirchenceremoniell zerſtoͤrten und eine lebendigere und geiſtigere Gottesverehrung hervorriefen. Auch in dieſe Bruͤderſchaft wurden Mitglieder männlichen und weiblichen Geſchlechts aufgenommen, und obwohl in dem markgraͤflichen Stiftungsbriefe die gemein— ſchaftliche Sorge für häufiges Meſſeleſen und beſonders für See— lenmeſſen, und die feierliche Leichenbegleitung bei dem Abſterben eines Mitgliedes als Hauptzweck angegeben wird, ſo leuchtet doch aus der ganzen Faſſung ein, daß es dabei hauptſaͤchlich auf ein ehrbares und geregeltes buͤrgerliches Leben abgeſehen war) Wenn dieſe Stiftungen, deren es ſelbſt in Berlin noch mehrere gab, zeigen, wie das Streben jener Zeit dahin ging, Welt— liches mit Geiſtlichem zu miſchen, und eigentlich weltliche Zwecke und Einrichtungen mit geiſtlichen Formen zu umhuͤllen, ſo iſt eben daraus doch auch zu erkennen, daß der allgemeine Zuſtand der chriſtlichen Kirche den Beduͤrfniſſen der Zeit nicht mehr entſprach. Man glaubte zur Begruͤndung ſeines Heiles beſondere Mittel noͤthig zu haben, und indem man ſich aus der groͤßern Kirchen— gemeinſchaft in engere Kreiſe zuſammenſchloß, ſo ſonderte man ſich zugleich von dem geſammten Beſtande der chriſtlichen Ge— meinde ab, und bereitete deren gänzlichen Verfall immer mehr vor. Eine eigenthuͤmliche Richtung des mittelalterlichen Lebens, welche eben fo ſehr als Produkt wie als Triebmittel der kirchli— chen Entwicklung betrachtet werden kann, iſt die Neigung der Chriſtenheit zu Pilgerfahrten, zu Wanderungen nach entfernten heiligen Orten. Sie entſtand, als der Kaiſer Conſtantin und deſſen Mutter Helena in Paläſtina die verfallnen chriſtlichen Alterthuͤmer wieder aufrichten und 30 neue Kirchen und andre Ge— baͤude zu kirchlichen Zwecken erbauen ließen und als die durch die Voͤlkerwandrung, durch Krieg und Verwuͤſtung erſchreckten und beunruhigten Chriſten eine Zufluchtſtaͤtte in dem friedlichen, geſegneten Lande am Jordan ſuchten. Als darauf Palaͤſtina im Jahre 636 von den Arabern uͤberzogen wurde und der erſte Tem— 2. Die ſämmtlichen Urkunden finden ſich bei Schmidt am a. O
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