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pel des Islam zu Jeruſalem entſtand, wurden die Pilgerfahrten zu einer Art von Mäͤrtyrerthum und ſomit nach den Anſichten der katholiſchen Kirche zu einem an ſich verdienſtlichen Werke. Die Liebe zu den Reliquien fand bei dieſen Pilgerungen ihren Anknüpfungspunkt. Jeder bewahrt gern das, was er in fernen Landen unter Gefahren errungen, oder was durch langen Ge— brauch ihm lieb und werth geworden, zum Andenken auf, um bei deſſen Wiederbetrachtung die Bilder der gefahrvollen Vergan genheit lebendiger der Seele zurückzuführen. So erhielten das Pil. das bis zum Tode aufbewahrt und dem Verſtorbe nen in die Gruft mitgegeben wurde, der Pilgermantel, die Mu- ſchel, der Stab, der von einer Ceder auf dem Libanon oder von einer Weide an dem Jordan geſchnitten worden, eine Roſe von Jericho, ein Stuͤck Asfalt und andere an ſich unſchuldige Gegen ſtaͤnde, die der Wanderer aus dem Morgenlande nach Europa mitgebracht hatte, ihre Bedeutung. Daß nun dieſe Liebe zu Pilgerungen und zu Reliquien ſpaͤter in den thoͤrichtſten Aberglau— ben ausartete, entſpricht der kirchlichen Entwicklung des Chriſten— thums und der geſammten Abwendung von dem Geiſtigen und Innern auf das Aeußerliche. Mit der Ausbreitung des Chriſten— thums und der zunehmenden zeitlichen Dauer deſſelben hatten
ſich die Reliquien vermehrt. Gegenſtaͤnde, die in Beziehung auf
das Leben Chriſti auf Erden ſtanden, Zeichen der Erinnerung an die Jungfrau Maria, an die Apoſtel, die Maͤrtyrer und Heiligen gelangten allmaͤhlig zu Verehrung und Anbetung. Jedes Kloſter, jede Kirche und Kapelle ſuchte im Beſitz ſolcher durch den Glau-
ben der Zeit geheiligten Dinge zu kommen: denn die Verehrung der Heiligen fand hauptſaͤchlich ihre Begruͤndung in der Reli— quienverehrung und auf jene ſtuͤtzte ſich der Ablaß und die Liebe zu Wallfahrten und Pilgerungen. Die Heiligen hatten nicht an jedem Orte dieſelbe Macht, und um von dieſer Krankheit geheilt, um dieſer Gnadenwirkung theilhaftig zu werden, bedurfte es des Gebets zu dieſem beſtimmten hoͤlzernen oder ſteinernen Marien oder Heiligenbilde. Die Allmacht Gottes hatte ſich in tauſend und abertauſend kleine Gewalten zertheilt und die ſichtbare Kirche in ihrer unendlichen Vereinzelung hatte ſich dieſer Theilgewalten bemaͤchtigt.— Zu den aͤlteſten Wallfahrtsoͤrtern in der Mark ge