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der Kirche zuruͤckbringen, allein man fand ſie in Blut zerronnen und die Erde damit angefeuchtet. Dieſe Erde brachte man als Gegenſtand der Verehrung mit großem Ceremoniell in die Kirche. Nicht nur das Volk, ſondern auch Fuͤrſten und Biſchoͤfe kamen dahin, um das Wunder anzuſtaunen, und bald wurde auch zu Ehren dieſes Wunderblutes ein Ciſtercienſer-Nonnenkloſter daſelbſt angelegt).— Den größten Ruf erlangte das Wunderblut in Wilsnack, deſſen Urſprung alſo erzählt wird). Im Jahre 1383 wurde das Dorf Wilsnack in der Priegnitz von dem Rit- ter Heinrich von Buͤlow uͤberfallen und in Brand geſteckt. Als 10 Tage darauf der Ortsgeiſtliche Johannes vorgeblich auf den wiederholten Befehl eines Engels die Ruinen der Kirche unter ſuchte, fand er den Altar mit deſſen Schmuck unverſehrt. Drei geweihte Hoſtien aber, welche in einer Kapſel auf dem Altar ſtanden, hatten ſo ſtark Blut geſchwitzt, daß ſie in eine Maſſe zuſammengefloſſen waren. Der Geiſtliche berichtete daruͤber ſogleich an den Biſchof von Havelberg; dieſer bewilligte einen Ab— laß fuͤr die, welche zur Verehrung der wundervollen Offenbarung Chriſti nach Wilsnack wallfahrten wuͤrden. Bald geſchahen durch die mit einem ſtarken Kryſtall verſehenen drei blutigen Hoſtien wunderbare Heilungen an Kruͤppeln und Kranken, welche ver— muthlich nicht ganz erdichtet, ſondern nur vergroͤßert und andern als den natuͤrlichen Urſachen zugeſchrieben worden ſind. In jener Zeit, da Aberglauben und Unwiſſenheit der Einbildungskraft eine große Herrſchaft über die phyſiſche Natur des Menſchen verlie— hen, konnte es wohl geſchehen, daß z. B. ein Gichtbruͤchiger, der halb lahm und an Kruͤcken dahinſchleichend ſich aus ſeinem Wohnorte nach Wilsnack auf die Reiſe begab, von Freude, Hoff nung und Vertrauen im Gemuͤthe heftig erregt und durch die Bewegung und die Veraͤnderung der Luft geſtaͤrkt, ſchon auf der Wanderung zum Theil geſundete und bei ſeiner Ankunft an dem erſehnten Heiligthume voͤllig genas. Man hat ſelbſt in der neuern Zeit noch Beobachtungen gemacht, welche dieſe Annahme unterſtuͤtzen und in der Geſchichte der Arzneikunde iſt es zu allen
+) Angelus Brandenb. Chronik S. 102.
**) Angelus Brand. Chr. S. 167, 174, 2717, 222, 345. Beckmanns
Beſchreibung der Mark II. Th. V. Buch 2, 310.