Zeiten behauptet worden, daß das Vertrauen des Kranken zu dem Arzte und den von ihm angewandten Heilmitteln einen we ſentlichen Einfluß auf die Geneſung äußere. In wie viel hoͤhe— rem Grade mußte aber damals Glaube und Zuverſicht wirken, wo der ganze religidͤſe, intellectuelle und ſittliche Zuſtand der Menſchen dieſe Wirkung ſo ſehr beguͤnſtigte, und wo außerdem der traurige Zuſtand der Arzneikunde dem Menſchen kaum irgend eine andre Hoffnung uͤbrig ließ, als ſeine Rettung und Geneſung von unmittelbar hoͤherem als menſchlichem Einfluſſe zu erwarten. Anfaͤnglich mochte die bei die eſem Wunderglauben fo ſtark betheis ligte Geiſtlichkeit denſelben zu ihren Gunſten wirken laſſen, ohne auf betruͤgliche Mittel zu denken, ihn zu erhöhen und durch aufs fallende Thatſachen zu begruͤnden: allein bald ſchlichen ſich bei der zunehmenden Entgeiſtigung des Clerus die groͤbſten Verfaͤl ſchungen und Mißbraͤuche ein. Der Name Wilsnack bezeichnete nun bald ein Staͤdtchen, deſſen Ruf ſich immer weiter verbrei— tete; eine prächtige Kirche wurde erbaut, der Ablaß vermehrt und aus vielen Ländern Europas ſtroͤmten Pilger zu dem Heiligthum. In den Ablaßbriefen, welche der Erzbiſchof von Mag deburg und die Biſchöͤfe von Brandenburg, Havelberg und Le bus der Kirche zu Wilsnack ertheilten, wurde den Pilgern fuͤr jede Meile Weges 40 Tage Ablaß, eben ſo viel fuͤr jeden Um gang um die Kirche, und fuͤr jede Anbetung des n. auf den Knien bewilligt. Doch wurde der Erlaß der Sünden ſpaͤter noch an eine andere Bedingung geknuͤpft. Sobald der Pilger anlangte, wurde er zu einer in der Sacriſtei noch jetzt als Antiquitaͤt aufbewahrten Suͤndenwaage gefuͤhrt. Auf die eine Schaale ſetzte er ſich ſelbſt, auf die andre wurden ſeine Gaben an Geld und Geldeswerth gelegt, und ehe dieſe ihn nicht uͤber— wogen, war dem Suͤndenerlaß nicht genug gethan. Die Reichern wurden fuͤr die aͤrgſten Suͤnder gehalten; dem armen Bauer
half man dagegen durch einen von dem untern Theil der Waage ausgehenden, nach einem Gewölbe führenden Drath oder Strick zu ſeinem Gewichte. Zuletzt erhielt der Pilger gegen Bezahlung
ein bleiernes Zeichen, in Form einer Hoſtie, mit drei rothgefaͤrb
ten Flecken, welches er an den Hut ſtecken und hierdurch ſich
ausweiſen konnte, daß er an Ort und Stelle geweſen und ſein