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Geluͤbde erfüllt habe. Hin und wieder wurden von aufgeklärten Maͤnnern auch ſchon vor der Reformation ſolche Wundergeſchich ten verdächtig gemacht. Huß, der in einer eignen Schrift dage gen geſchrieben hat, ſagte davon:„jenes Blut, das in Wilsnack gezeigt wird, iſt nichts als eine Erdichtung habſuͤchtiger Prie ſter“). Auch wurde durch den Papſt Nicolaus V. 1450 eine Unterſuchung des Wunderbluts befohlen und in deren Folge die Pilgerungen dahin verboten, allein was einmal im Gange ist und den Anſichten der Zeit entſpricht, kann ſo leicht nicht ge hemmt werden. Wirklich wäre auch damit nicht viel geholfen
geweſen. Bei einem ganz verderbten Leibe nuͤtzt es wenig, einen Ausſchlag von einem Theile zu vertreiben: er wird ſogleich an einer andern Stelle hervorbrechen und daſelbſt vielleicht noch ſchlimmer und gefahrvoller ſein. Wie tief aber und bis ins in—
daraus, daß ſelbſt noch im Jahre 1552 als bereits dreizehn Jahre Öffentlich für die Kirchenverbeſſerung in der Mark gewirkt wor: den, die Wegſchaffung des Wunderblutes nicht ohne Gefahr ver—
nerſte Leben hinein ſich dieſer Schaden gefreſſen hatte, ſieht man
ſucht wurde.
Noch mehr als andre Gebrechen aber, an denen die Kirche vor der Reformation krankte, war die Lehre vom Ablaß und de— ren verwerfliche Anwendung aufs gemeine Leben eine druͤckende Laſt fuͤr die entgeiſtigte Chriſtenheit. Dieß war ſie, wie die Wallfahrten und Reliquienverehrung aber erſt in der Zeit gewor— den, wo der Kirche bereits der lebendig wirkende Geiſt entſchwun— den und ſie ſomit einem ſtarren und todten Formenweſen verfal— len war. Fruͤhe zwar wurden ſchon durch die Kirche die ſtren— gen leiblichen Bußen und Strafen, ſofern fie von ihr ſelbſt auf gelegt waren, gegen freiwillige Almoſengaben erlaſſen“); aber erſt ſpaͤter wurden ſtatt der perſoͤnlichen Leiſtung der Kirchenbuße entſprechende Gaben an Geld und Gut beſtimmt vorgeſchrieben und entſchieden gefordert. Es entwickelte ſich dieſe Ablaßerthei— lung in der Kirche zu der Art, wie noch heute der Staat ſtatt
*) Rubeum illud apparens, quod in Wilsnack monstratur, non nisi avarorum sacerdotum mendacium esse.
**) Löſcher Reformationsakten I, 355 nennt Gregor den Großen um 600 n. Chr.