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der Gefaͤngnißſtrafen verhaͤltnißmaͤßige Geldſtrafen anſetzt. Zu weiterer Ausartung trug der Umſtand bei, daß das Recht, Kir chenſtrafen und Kirchenbußen zu verkuͤrzen und aufzuheben, wel ches urſpruͤnglich jedem Biſchof und Prieſter zuſtand, ſeit der Zeit der Kreuzzuͤge vorzugsweiſe von dem Papſte gehandhabt wurde; wenigſtens wurde der Ablaß, der von dem heiligen Bas ter in Rom ertheilt ward, für viel kräftiger und erfolgreicher gehalten, als der des nahen und weniger geachteten Biſchofs oder Prieſters. Die älteren tiefſinnigen Scholaſtiker forderten aber, daß mit dieſen Geldbußen bittre Reue verbunden ſei: es wurde dabei Glaube, Liebe und Andacht, ſowie der ernſte Vorſatz ge— fordert, die begangenen Suͤnden nicht wieder zu begehen. So war dieſe Buße immer nur noch das äußere Zeichen eines reue— vollen, ſeiner Suͤndhaftigkeit wegen zerknirſchten Herzens, die der glaubensvolle Chriſt willig leiſtete, weil er wie bei der leiblichen Buße die Verſicherung erhielt, daß er mit Chriſtus, oder was daſſelbe war, mit der Kirche, weil dieſe ja das Bußgeld ans genommen, ausgeſoͤhnt ſei. Man hielt lange mit Ernſt wenig— ſtens in der Theorie den Unterſchied zwiſchen Suͤndenverge—bung und Ablaß feſt, um dem aͤberhandnehmenden, verderblichen Einfluß der Verwechslung beider in der Praxis zu weh⸗— ren. Ferner bezog ſich die Lehre von der Kirchenbuße und dem Ablaß urſpruͤnglich nicht auf den Erlaß der Strafen des Reinigungs⸗ oder Fegefeuers: ſie hatte nicht den Zuſtand nach dem Tode im Auge, ſondern ſie wollte den gefallnen und verirrten Chriſten durch die Theilnahme an der Communion in die Gemeinſchaft der Kirche, in das Himmelreich zuruͤckzufuͤhren, welches man ſich auch auf Erden gegenwaͤrtig dachte, und in das man durch die Einigkeit mit der Kirche, durch die Empfaͤngniß des heiligen Geiſtes, den dieſe austheilte, gelangen zu können glaubte. Im Laufe der Jahrhunderte veraͤnderte ſich mit der Entwicklung der Dogmen uͤber Welt, Fegefeuer, Hölle und Himmelreich auch die Lehre von der Indulgenz der Kirchenſtrafen. Wenn in der fruͤhern Zeit der Suͤnder ſeine Buße gethan und in Folge deſſen in die Gemeinſchaft der Kirche wieder aufgenom— men worden war, ſo fuͤhlte er ſich unmittelbar darauf beruhigt, ſeine Seele im Frieden mit Gott und mit der Welt, und das