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Geschichte der Reformation in der Mark Brandenburg / Adolph Müller
Entstehung
Seite
79
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Dieſer Ablaßhandel, wie verderblich auch feinem Principe nach, wirkte doch noch hin und wieder aufregend und erbaulich, ſo lange er von dieſen Legaten und ihren beſtallten Untercommiſ­ſarien verkuͤndigt ward. Die Quelle des größten Verderbens wurde er erſt dadurch, daß eine Unzahl niedrig geſinnter und habſuͤchtiger Geſchoͤpfe aus dem Moͤnchsſtande ſich an die Abs laßprediger hing und eine Quantitat Ablaß oder Ablaßzettel zu einem Detailhandel ſich erkaufte oder erquaͤlte). Dieſe Men- ſchen, die ganz und ausſchließlich nur den Geldgewinn im Auge hatten, und die urſpruͤngliche Bedeutung des Ablaſſes nicht ent fernt kannten oder nur ahneten, zogen auf dem Lande umher und trieben auf Koſten des unwiſſenden und aberglaͤubiſchen Land­volkes in Flecken und Dörfern den abſcheulichſten Unfug. Viele dieſer Mönche ſuchten ſich auch durch dieſen Ablaßhandel von dem beſchraͤnkenden Regelzwange ihrer Kloͤſter dadurch für län- gere Zeit oder für immer loszumachen, daß fie in kleineren Städ- ten, in denen keine Kloͤſter waren, ſ. g. Stationen anlegten, d. h. eigene Wohnungen oder Haͤuſer einnahmen, und gegen Zahlung einer jährlichen Abgabe an fie die dauernde Befreiung von dies ſer oder jener Krankheit, fuͤr den beſondern Schutz dieſes oder jenes Heiligen und dergl. mittelſt ihrer Erlaßbriefe zugeſtan­den*). Es gab kein Vergehen und keine Suͤnde, ja es gab keinen Vorſatz zur Ausfuͤhrung eines ruchloſen Unternehmens, fuͤr den ſie nicht Strafloſigkeit und Vergebung verheißen haͤtten. So wurde durch den Ablaßhandel der Buͤrger und Bauer nicht nur ſeiner Geldmittel beraubt, das waͤre noch das geringere Uebel geweſen, ſondern es wurde auch aller Sittenloſigkeit und allen ſchaͤndlichen Begierden und Leidenſchaften Thuͤr und Thor geöffnet, da ja jedes Verbrechen und jede Lebensweiſe gleichſam als von der Kirche gerechtfertigt und ſanctionirt erſchien.

Wer ſich mit der vorreformatoriſchen Zeit naͤher bekannt machen will, leſe in Luthers Werken von Walch, den 15. Band,

*) Cramers Pommerſche Kirchenchronik, Buch 2, S. 119 und 145.

**) Wolſii lectiones memorabiles II. 206. vergl. im Index den Artikel indulgentiae Eichhoffs Geſchichte der Reformation in Naſſau­Weilburg, S. 15. Seckendorfs Geſchichte des Lutherthums S. 327.