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Geschichte der Reformation in der Mark Brandenburg / Adolph Müller
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wenig um den geiſtigen Zuſtand, der doch recht eigentlich als der Kern und das urſpruͤngliche Motiv der Erſcheinung zu betrach­ten iſt. So bleiben in der Natur, wie in der Geſchichte, die tiefſten und innerſten Seiten des Voͤlkerlebens, die wahren Wun­der Gottes in ſeiner Weltregierung, dem Auge des Betrachters verborgen, und dennoch ſind ſie es gerade, welche das Studium der Naturwiſſenſchaft und der Geſchichte am ſegensreichſten fuͤr den Menſchen machen, welche uns mit Ehrfurcht und Zittern vor dem geheimen Walten einer höͤhern Macht in allen, auch den kleinſten unſrer Lebensverhaͤltniſſe erfüllen, und uns belehren, wie in der Entwicklung der Menſchen- und Voͤlkergeſchichte Gott ſich in ſeiner Allmacht und Liebe offenbart, daß es unſre hoͤchſte Beſtimmung iſt, mit Hintanſetzung aller irdiſchen Verhaͤltniſſe nur dem Zuge des Geiſtes zu folgen, der ſich unſerm Innern als der Geiſt Gottes kund giebt. Nach der obigen Schilderung des funfzehnten Jahrhunderts erſcheint daſſelbe als in die tiefſte Unwiſſenheit und den craſſeſten Aberglauben verſunken, und die folgende Kirchenreformation müßte es demnach nur mit der Bes kaͤmpfung dieſer Uebel zu thun bekommen haben. Allein die Geſchichte lehrt uns, daß zur Zeit des erſten Auftretens Luthers drei ſehr verſchiedene Elemente, drei von einander völlig abwei chende Zuſtaͤnde in dem geiſtigen Leben aller chriſtlichen Voͤlker und beſonders in Deutſchland vorhanden und zu einer Umge ſtaltung des religioͤſen Lebens wirkſam waren. Dieſe drei ver: ſchiedenen Elemente waren Aberglaube, Unglaube und Glaube. Der Aberglaube entſteht dann, wenn der lebendige Geiſt, der Geiſt Chriſti, oder der heilige Geiſt, aus den herrſchenden Leh­ren und kirchlichen Inſtituten zuruͤckweicht, und ſtatt ſeiner ein gedankenloſes und todtes Feſthalten an der traditionell uͤberkom­menen Religion Platz greift. Weſſen Geiſte ſich nicht dieſe be­ſtimmte Lehre, dieſes beſtimmte kirchliche Inſtitut als wahr und goͤttlich offenbart, der iſt, wenn er dennoch daran feſthaͤlt, in Be zug darauf in Aberglauben befangen. Iſt dies mit den meiſten oder mit allen Lehren und kirchlichen Inſtituten der Fall, ſpricht ihm der Geiſt gar nicht mehr fuͤr die Goͤttlichkeit und Wahr heit deſſen, was er als ſeine Religion und als Glaubensſache vertheidigt, und was er taͤglich durch kirchliches Ceremoniell ver 6