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tes„es werde Licht!— und es wird Licht. Im funfzehnten Jahrhundert hatte der Unglaube ſehr viele der beſten und ausgezeichnetſten Maͤnner der Zeit ergriffen. Sie wollten Aufklaͤrung und wandten ſich daher zum claſſiſchen Alterthum, zu den heidniſchen Autoren der Griechen und Roͤmer, um von ihnen Weisheit zu lernen, und Anleitung zu einem geiſtig gebildeten und geſitteten Leben zu erhalten. Unmittelbar vor der Reformation gehörte jeder, dem es damit Ernſt war, ſein und ſeiner Mit— menſchen Wohl zu fördern, dieſer Partei an. Sie fuͤhrte den Kampf gegen Aberglauben und Finſterniß, ſie eiferte mit Wit und Satyre gegen die Anmaßungen der Prieſterkaſte, ſie regte durch Wort und Schrift zu geiſtiger Selbſtthaͤtigkeit an. Der Unglaube wurde die Bruͤcke, auf der die Menſchheit aus den duͤſtenn Grunden des Aberglaubens in das Reich des Lichtes uͤberging. Luther und ſeine Genoſſen erkannten die vorbereitende Wirkſamkeit dieſer Entwicklungsſtufe an, und gewiß dankten ſie ihr wenigſtens ihre wiſſenſchaftlichen Kenntniſſe, und ſomit die Waffen, welche ſie faͤhig machten, das Papſtthum mit ſo außerordentlichem Erfolge zu bekaͤmpfen.
Das dritte Element war der Glaube. Mochte die Mehrzahl der Mitglieder der chriſtlichen Kirche dem Aberglauben uͤbergeben in dumpfer Geiſtloſigkeit dahin leben, mochten die Mehr— befaͤhigten in dem Gebiete menſchlichen Wiſſens und menſchlicher Gelehrſamkeit ſich abmuͤhen und in ihrem Verſtande Erſatz fuͤr den mangelnden Glauben ſuchen— Chriſtus hatte verheißen: ich werde bei euch ſein bis an der Welt Ende, und ſeine Ver— heißungen ſind Geiſt und ſind Wahrheit. Es gibt in der phyſiſchen Welt keine abſolute Finſterniß, und wie in der dunkelſten und ſturmvollſten Nacht immer noch ein gewiſſer Grad der Helle vorhanden iſt, ſo gibt es noch weit weniger in der Welt des Geiſtes einen Zuſtand, der ſchlechthin finſter und Nacht wäre, Es hatte ſich auch in der verderbten Zeit vor der Reformation ein Schatz wahrhaft glaͤubigen Lebens in der Kirche erhalten, aber er war dem ganz in Weltlichkeit uͤbergegangenen Kirchen: thume ſo fremd, daß er nur hin und wieder in einer ſtillen Kloſterzelle oder auch ſonſt wohl bei einem reinen Gemuͤthe in der Verborgenheit gefunden wurde. Chriſtus hatte nicht aufgehoͤrt,
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