feiner Gemeinde im Geiſte und in der Wahrheit vorzuſtehen, wenn auch die roͤmiſche Kirche dieſe hoͤchſte Leitung Chriſti(Aug nete, und vielmehr lehrte, daß er alle ſeine Macht im Himmel und auf Erden auf Petrus und auf deſſen Nachfolger und Statthalter, die Paͤpſte, uͤbertragen habe. Mit mehrerem Rechte als zur Zeit der Apoſtel konnte damals die kleine Schaar der wah ren Juͤnger Chriſti ſagen:„Wir ſehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort, dann aber von Angeſicht zu Angeſicht. Jetzt erkenne ich es ſtuͤckweiſe, dann aber werde ich es erkennen, gleich wie ich erkannt bin.“ Auch haben dieſe Worte in einem kleinen Theile durch die Reformation ihre Erfuͤllung erhalten. Jener verborgene Schatz des wahren Glaubens mußte hervortreten, und ſeinen Glanz ſchnell uͤber die Welt verbreiten, ſobald die Zeit erfuͤllt, ſobald die Elemente des Aberglaubens und Unglaubens ihre hoͤchſte Geltung und Entwicklung erlangt hatten. Das Element des reinen Glaubens war es alſo, welches die Reformation, eine Wiedergeburt des reinen und urſpruͤnglichen Chriſtenthums bewirkte, und ſo mußte es ſein, weil Chriſtus es verheißen hatte. Andererſeits aber erkennen wir auch daraus, daß ungeachtet ſeiner Verderbtheit und Verweltlichung das roͤmiſche Kirchenthum doch immer faͤhig war, in ſeinem innerſten Kerne die heiligen Wahrheiten des Evangeliums lebendig zu be— wahren. Nicht aus jener unglaͤubigrationaliſtiſchen Richtung und dem Kreiſe hochgelehrter, und nach Wiſſenſchaft und Aufklaͤrung ſtrebender Männer, welche ſich dem Aberglauben, den zahlloſen Mißbraͤuchen, und ſomit der Kirche ſelbſt entgegenſetzten, ging die Erneuung des Evangeliums hervor, ſondern recht eigentlich aus dem Mittelpunkte der alten Kirche, aus einer der verachtet— ſten kirchlichen Inſtitute jener Zeit, von einem Moͤnche. Die Wege Gottes find nicht der Menſchen Wege: denn gewiß Hätte damals niemand geglaubt, daß eine Reformation in dieſem nie— drigſten und verachtetſten Kreiſe ihre Wurzeln finden würde, fon: dern Jeder, der etwa an eine Umgeſtaltung des kirchlichen Zu— ſtandes dachte, mußte vielmehr meinen, daß das ſeit den Kirchen— verſammlungen zu Piſa, Coſtnitz und Baſel hundert Jahre ver geblich betriebene Werk im gluͤcklichſten Falle nur von denen zur
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Geschichte der Reformation in der Mark Brandenburg / Adolph Müller
Seite
84
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