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Geschichte der Reformation in der Mark Brandenburg / Adolph Müller
Entstehung
Seite
98
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dem modernen Staatsgebaͤude hinzugefügt; allein darauf kommt es hauptſaͤchlich an, daß die Bahn gebrochen, daß der Weg, der einzuſchlagen iſt, vorgezeichnet werde, dann konnen auch weniger befähigte Geiſter das Ziel ohne große Anſtrengung erreichen. Unter dieſem Geſichtspunkte muß aber die ganze politiſche Hand lungsweiſe Joachims betrachtet werden, wenn man ſeine wirk liche Groͤße verſtehen und wenn man ihm ſelbſt in ſeinen Be ſtrebungen fuͤr kirchliche Angelegenheiten nicht Unrecht thun will.

Die äußeren Gebrechen der Kirche waren zu auffallend, als daß Joachim fie nicht erkannt, und fein Wille, die Uebel feiner Zeit zu vernichten, zu entſchieden, als daß er ſich nicht bemuͤht haben ſollte, eine Verbeſſerung der Kirchenzucht, eine Umgeſtal tung des entarteten Ceremoniells und uͤberhaupt die Aufklärung des Volks herbeizufuͤhren: allein er war ſo ſehr von der Ueber zeugung, daß nur bei unbeſchraͤnkter Macht, bei unangetaſteter Autorität des Oberhauptes ſowohl des deutſchen Reichs wie der Kirche die Wohlfahrt der Chriſtenheit erlangt werden koͤnne, durchdrungen, daß er die noͤthige Reformation nur entweder durch den Papſt oder durch ein allgemeines Concilium fuͤr moͤg lich und ausfuͤhrbar hielt, und daß er meinte, nur durch Be förderung und Verbreitung allgemeiner geiſtiger Bildung konne der Einzelne zu dieſem Zwecke mitwirken. Dies waren die Grundanſichten, welche er aus den Zeitverhaͤltniſſen gewonnen hatte und welche, da er ſie mit der vollen Kraft ſeines Geiſtes täglich auf das Leben anzuwenden ſuchte, ihn ſpaͤter fo völlig beherrſchten, und Alles, was mit ihnen nicht uͤbereinſtimmte, aus ſeinem Gedankenkreiſe ausſchieden, daß es fuͤr ihn eine ſchwierige, wenn nicht unmoͤgliche Sache wurde, eine Reforma tion gut zu heißen, die ein Einzelner, und zwar im Gegenſatz zum Papſt, begann und die ſich vorzugsweiſe auf die reine Lehre des Evangeliums bezog. Er wurde in politiſcher und wiſſen­ſchaftlicher Beziehung der Reformator ſeines Landes, und haͤtte daher nur durch Erhebung uͤber dieſes ſich ſelbſt geſchaffene Ter rain feiner geiſtigen Wirkſamkeit befähigt werden koͤnnen, in die höheren Tendenzen der kirchlich-religiͤſen Reformation Luthers einzugehen. Aber welche Forderung iſt dies! Was er ſelbſt, von dem Zeitbeduͤrfniſſe gedraͤngt, mit der hoͤchſten Kraft ſeines