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Geschichte der Reformation in der Mark Brandenburg / Adolph Müller
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Geiſtlichen, er tadelte ſelbſt den Eifer, die Eile und die Strenge mit welcher der Markgraf bei der Umgeſtaltung der kirchlichen Verhaͤltniſſe verfuhr, kurz er benahm ſich ſo, daß weder Katho liken noch Proteſtanten genau wußten, wie ſie ihn zu beurtheilen hätten. Aber um ihm Gerechtigkeit widerfahren zu laſſen, muͤſ ſen wir ſeine eigenthuͤmliche ſchwierige Stellung betrachten, die von der des Markgrafen ſehr verſchieden war. Er war Kurfuͤrſt und als ſolcher in ganz anderer Bedeutung Reichsfuͤrſt als ſein Bru der. Auf ihn ſah die Welt, von ihm ſchien es zum Theil abzu haͤngen, ob die alte Kirche das Uebergewicht in Deutſchland be haupten, oder ob die lutheriſche Lehre den Sieg uͤber die katho liſche Kirche davon tragen würde. Der Kurfuͤrſt von Branden burg war bis dahin der maächtigſte Hort des alten Glaubens geweſen. Er allein hatte zu deſſen Vertheidigung und Aufrecht erhaltung mehr gethan, als faſt alle uͤbrigen weltlichen Fuͤrſten Deutſchlands zuſammengenommen. Trat Joachim II. zu der entgegengeſetzten Partei über, fo verlor man katholiſcher Seits

nicht nur ihn, ſondern man verlor zum Theil auch die reichen

Erfolge der Wirkſamkeit und des Eifers ſeines Vaters, ſein Uebertritt zur evangeliſchen Kirche annullirte gewiſſermaaßen das Verfahren Joachims I. Dieſes alles fuͤhlten und erkannten die beiden Religionsparteien, und ſtrebten daher mit dem groͤßten Eifer, ihn in ihrem Intereſſe feſtzuhalten, oder ihn fuͤr ſich zu gewinnen. Die Vorſtellungen der Katholiſchen, ihre Gruͤnde und Bitten waren nicht ohne Gewicht, und mußten auf einen Fuͤr ſten, der nicht völlig vom Geiſte Gottes ergriffen war und ſeine und ſeines Landes Wohlfahrt auch von weltlichen Ruͤckſichten ab haͤngig betrachtete, der ferner die von ſeinen Ahnen ererbte Pflicht, dem Kaiſer und Reiche treu anzuhangen und gehorſam zu ſein, für unverletzlich hielt, den tiefſten Eindruck machen. Zur Ver ſtaͤrkung dieſes Eindruckes wirkte die ihm natuͤrliche Neigung zu aͤußerem Glanze und einem praͤchtigen Ceremoniell, daß die rs miſche Kirche, und zwar nicht blos auf religioͤſe, ſondern auch auf weltliche Verhaͤltniſſe in viel größerem Maaße geſtattete. Fer ner hatte ſein Vater ihn bereits als Kurprinzen an allen Reichs geſchaͤften Antheil nehmen laſſen, er hatte ihn in eine gewiſſe Politik hineingewoͤhnt, welche man eine katholiſche nennen kann;