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Arbeitszeit im Wandel : Möglichkeiten und Formen der Arbeitszeitgestaltung / von Helmut Glaubrecht; Dieter Wagner; Ernst Zander
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Arbeitszeit und Freizeit 27

3. Veränderte Einstellung zur Erwerbsarbeit a) Die These vom Wertewandel

Nach Ansicht von vielen Soziologen!? findet besonders in den westlichen Industriegesellschaften ein Wertewandel in der Einstellung zur Arbeit statt. Er ist gekennzeichnet durch eine zunehmend kritische, distanzierte Haltung gegenüber der Industriearbeit. Statt dessen gewinnen soziale und psychische Funktionen der Arbeit sowie alternative Erwerbsformen an Be­deutung.Postmaterialistische Werte wie Selbstbestimmung, Gesund­heit oder Freizeit gelten für Menschen, die in der Wohlstandsgesellschaft aufgewachsen sind, als besonders erstrebenswert. Nicht nur der höhere Wohlstand, auch ein höheres Bildungsniveau, der Rückgang rein körperli­cher Arbeit und die Zunahme qualifizierter Arbeitsplätze haben zu dieser Entwicklung beigetragen.

Allerdings wäre es vermessen, diesen Einstellungswandel zu einem Wende­punkt in der Geschichte der Erwerbsarbeit hochzustilisieren. Immerhin kennt jedoch jeder Personalfachmann einige Fälle, die ihm zeigen, daß z.B. das Aufstiegsstreben oder die Bereitschaft, eine Funktion im Ausland zu übernehmen, nachgelassen haben. Umgekehrt ist festzustellen, daß das Erwerbsverhalten der Frauen trendmäßig eher zunimmt? und das Bil­dungssystem sich nach langen Jahren wieder stärker an der Berufspraxis orientiert. Somit scheint der erwähnte Wertewandel insbesondere für jene Mittelschicht zu gelten, die durch gute Ausbildung, relativ hohes Einkom­men und entsprechenden Lebensstandard gekennzeichnet ist. Zwar ist es voreilig, ihr Verhalten auf die anderen Schichten zu übertragen, doch soll­te man andererseits bedenken, daß dem Verhalten dieser Mittelschicht eine gewisse Leit- oder Multiplikatorfunktion zukommen kann.

Nach Ansicht von Strümpel scheint sich ein neuer Verteilungskonflikt an­zubahnen, bei dem es insbesondere um die Befriedigung bei der Arbeit geht:Auch im internationalen Vergleich zeigt sich die Abkehr der deut­schen Arbeitnehmer von der traditionellen Haltung der fraglosen Unter­ordnung unter die Arbeiterrolle?!(vgl. Abb. 6). Dies gilt insbesondere für die jüngeren Arbeitnehmer.

19 So z.B. Inglehart, R.: Value Change in the Uncertain 1970s in Dlugos, G./Weiermair, K.: Management under differing value systems, Berlin/New York, 1981, 5. 75.

20 Vgl. Schmid, A.: a.a.O., S. 10.

21 Vgl. Strümpel, B.: Alternativen zur Arbeitsgesellschaft, Wirtschaftsdienst 1983/1, Ss. 22f.