Arbeitszeitverkürzung und Arbeitsmarkt 51
3.„Milchmädchenrechnungen“: Modelle, Projektionen
Über die Entlastungswirkungen von Arbeitszeitverkürzungen“ auf den Arbeitsmarkt gibt es diverse„Milchmädchenrechnungen“, die die Lösung des Beschäftigungsproblems als recht einfach erscheinen lassen. Eine sehr simple Argumentation lautete 1983 wie folgt: In den Bundesrepublik gibt es zur Zeit etwa 20 Millionen Beschäftigte, bei 40 Stunden pro Woche im Jahr insgesamt 800 Millionen Stunden. Wird die wöchentliche Arbeitszeit auf 35 Stunden verringert, muß man 2,8 Millionen Menschen mehr einstellen, um auf die gleiche Arbeitsstundenzeit zu kommen. Das Beschäftigungsproblem wäre also gelöst.
Andererseits differieren die Aussagen über mögliche Entlastungswirkungen je nach Interessenstandpunkt. So schwankt die Prognose über die Wirkung der 35-Stunden-Woche zwischen 1,5 Millionen(Gewerkschaften) und 1 Million(Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung), die Verkürzung der Lebensarbeitszeit auf 58 Jahre zwischen 500000(DBG) und 120000(Prof. Löwisch), wobei das IAB mit 200000 eine mittlere Position einnimmt. Darüber hinaus wird der Arbeitskräftebedarf für die verstärkte Einführung von Teilzeitarbeit von Prof. Vilmar auf 800000, vom IAB auf 400000 geschätzt. Hier entsteht schnell der Eindruck, daß der Wunsch nach veränderten Arbeitszeitstrukturen nicht immer mit den Problemen der Realität in Einklang zu bringen ist.
Im folgenden wollen wir uns auf eine Prognose des IAB beschränken, bei der durchaus beachtliche Beschäftigungs- und Produktivitätseffekte und auch Veränderungen der stillen Reserven am Arbeitsmarkt berücksichtigt sind.4! Insgesamt handelt es sich u. E. um eine seriöse Berechnung auf neutraler Basis ohne Beeinflussung durch Interessenstandpunkte. Wenn wir die dort enthaltenen Zahlen anschließend kommentieren, so wollen wir doch vorsichtig anmerken, daß sie uns immer noch leicht überhöht erscheinen, weil die bereits erwähnten einzelbetrieblichen Probleme eine rasche Wirkung der verschiedenen Formen von Arbeitszeitverkürzungen
4% Quelle: vgl. Nerb/Reyher/Spitznagel: Struktur, Entwicklung und Bestimmungsgrößen der Beschäftigung in Industrie und Bauwirtschaft auf mittlere Sicht. Ergebnisse einer Unternehmensbefragung. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Heft 2, 1977. S. 308 ff.
41 Ähnliche Überlegungen, erweitert um die Untersuchung von möglichen Arbeitszeitverkürzungen im öffentlichen Dienst, finden sich bei: Der Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW, Modelle zur Arbeitszeitverkürzung und Arbeitsverteilung, Düsseldorf 1983. Interessante Ansätze finden sich auch im programmatischen Vorstellungen zur Arbeitsumverteilung sowie des ökologischen und des sozialen Umbaus bei den Grünen: vgl. MittAB 4/86, S. 570ff.