Arbeitszeitverkürzung und Tarifpolitik 57
Interessant war in den Arbeitskämpfen der letzten Jahre festzustellen, daß bei den Gewerkschaften auch unterschiedliche Vorstellungen über die Höhe des Lohnausgleichs bestanden. Während IG Druck und IG Metall — wenn z. T. auch taktisch bedingt— eher auf einen vollen Lohnausgleich beharrten, verhielten sich andere Gewerkschaften(z. B. die Gewerkschaft NGO) flexibler. Hier ist jedoch zu bedenken, daß es sich in der Regel nur um eine einmalige Anrechnung der Kosten der Arbeitszeitverkürzung handelt.
3. Vorschläge von Experten
Mittlerweile sind verschiedene wirtschaftsnahe Experten der Meinung,*! daß das Beschäftigungsproblem ohne Verkürzung der Arbeitszeit nicht zu lösen ist, obwohl einige bekannte Wirtschaftswissenschaftler sich gegen Arbeitszeitverkürzungen ausgesprochen haben. Entscheidend ist jedoch hierbei, ob es sich um eine bedarfsgerechte Flexibilisierung®® oder um eine kollektive und starre Verkürzung der Arbeitszeit handelt und inwieweit die Gewerkschaften Lohnverzicht üben(können).
Darüber hinaus wächst die Einsicht, daß die Höhe der Arbeitslosigkeit zu einer Zerreißprobe des demokratisch-parlamentarischen Systems geraten kann. Außerdem verstärkt sich der Druck auf die Gewerkschaften nach „Solidarität mit den Arbeitslosen“.
Die Stimmen mehren sich allerdings, daß beide Seiten ihre Tabus überwinden müssen. So wäre neben einer Ausweitung individueller Lösungen (Teilzeitverträge, Jahresarbeitszeitverträge) auch eine Verkürzung der Wochen- oder Lebensarbeitszeit zu erwägen. Dies gilt insbesondere für die Vereinbarungen in der Chemischen Industrie und in der Nahrungs- und Genußmittelindustrie.
Hampe** schlägt eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit aus folgenden Gründen vor:
5! Gutowski, A.: Arbeitszeitverkürzung— ein Irrweg, Wirtschaftsdienst 1983/VI, S. 262—263; Fels, G.: Arbeitszeitpolitik— Instrument der Umverteilung?, Vortragsmanuskript, Baden-Baden 1983.;
52 Vgl. Schusser, W.-H.: Flexibilisierung der Arbeitszeit. Plädoyer für das Machbare, Köln 1983.
53 Wirtschaftswoche 3/83, S. 28.
54 Hampe, P.: Die Arbeitszeitverkürzung darf kein Tabu sein, Süddeutsche Zeitung, 16. 12. 1982.