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Arbeitszeit im Wandel : Möglichkeiten und Formen der Arbeitszeitgestaltung / von Helmut Glaubrecht; Dieter Wagner; Ernst Zander
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Arbeitszeitverkürzung und Tarifpolitik

1. Die sofortige Einführung der 35- oder 36-Stunden-Woche würde die Unternehmen zu Neueinstellungen zwingen. Rationalisierungen wären erschwert.

2. Damit keine untragbaren Steigerungen der Lohnkosten entstehen, müßten auch die Entgelte um 10% gesenkt werden. Das würde zu einem Lebensstandard führen, wie er Anfang der 70er Jahre herrschte.

3. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit durch die Einführung der 36-Stun­den-Woche müßte zu Beitragssenkungen bei der Arbeitslosenversiche­rung führen. Hiervon würden Arbeitgeber und Arbeitnehmer entlastet. Da niedrigere Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt fällig würden, könn­ten auch die Steuern gesenkt werden. Hierdurch würden die Realein­kommen wieder steigen.

Bleiben allerdings zwei wesentliche Unbekannte in diesem schönen Gemäl­de:

1. Inwieweit sind die Unternehmen verpflichtet, zusätzliche Arbeitskräfte auch tatsächlich einzustellen?

2. Was sind die Grundelemente der staatlichen Wirtschaftspolitik, insbe­sondere der Strukturpolitik, damit dauerhaft Arbeitsplätze geschaffen und erhalten werden können?

Schließlich löst eine Umverteilung des Vorhandenen noch keine Struk­turprobleme.

Die erste Frage berührt die möglichen Stategien der Gewerkschaften hin­sichtlich einer wirkungsvollen Durchsetzung von Arbeitszeitverkürzun­gen. Dabei werden z. B. Betriebsvereinbarungen über den Einsatz von Per­sonalpools bzw. Springern empfohlen*°, um die Einstellung des zusätzlich notwendigen Personals zu regeln. Allerdings wird eingeräumt, daß Fragen des Personalausgleichs oft nur in Einzelfällenzwischen den Betriebspar­teien verhandelbar gemacht wurden. Bei der durch Rationalisierung be­sonders bedrohten Gruppe der Angestellten im Verwaltungsbereich blieb sie bis auf ganz wenige Ausnahmen bislang sogar völlig ausgeklammert.5

Die Regelung einer personellen Zuschlagsquote ist allerdings aus Praktika­bilitäts- aber auch aus ordnungspolitischen Gründen sehr problematisch. Probleme entstehen im allgemeinen immer in Branchen mit schrumpfen­dem Absatz. In diesem Fall würde überschüssiges Personal festgehalten, das die Kosten in existenzbedrohender Weise belastete.

55 Vgl. Kohl, H.; Seifert, H.: a.a.O., S. 17. 56 Ebenda, S. 17.