124 Grundsätzliche Aspekte einer Verkürzung der Lebensarbeitszeit
chologin Ursula Lehr wäre eine Verkürzung der Lebensarbeitszeit für viele Betroffene als ein Danaer-Geschenk zu bezeichnen.!28
Viele Forschungsergebnisse der internationalen Gerontologieforschung sprechen dagegen, erfahrene und leistungsfähige Mitarbeiter im Alter ab 55 Jahren aus dem Erwerbsleben zu komplimentieren und sie ihrer Arbeitsfreude zu berauben. Es ist auch unredlich, diese Tatsachen zu negieren und einen entsprechenden sozialen Druck auf die Betroffenen auszuüben, um 10 Jahre später mit veränderter Argumentation die Anzahl der Erwerbspersonen möglichst hoch zu halten. Bei einem überproportionalen Anstieg des Anteils älterer Menschen an der Bevölkerung werden darüber hinaus nicht nur mehr Renten zu zahlen sein. Es werden„auch mehr soziale Dienste für mehr sehr alte Menschen gebraucht...— bei gleichzeitig geringer werdenden finanziellen Mitteln“.!2?9 Flexibilität der Altersgrenze sollte auch als individuell wählbare Möglichkeit der Arbeitszeitverlängerung betrachtet werden. Dies geschieht zur Zeit allerdings mehr in der Theorie. In der Praxis wird der generelle Eintritt in den Ruhestand kontinuierlich weiter nach vorne gezogen.
Nach Ansicht von Ursula Lehr geht man von mindestens fünf falschen Annahmen aus, wenn man sich für eine einseitige Herabsetzung der Altersgrenze einsetzt:!30
— Arbeit wird weniger als Last und Fluch erlebt, sondern als eine wesentliche Quelle des Wohlbefindens angesehen.
— Arbeit an sich schadet nicht dem gesundheitlichen Wohlbefinden. Vielmehr ist Arbeit das beste Lebenselexier, wenn man von extremen Fällen der Schwer- und Schichtarbeit einmal absieht. Menschen, die sehr alt geworden sind, haben in der Regel sehr früh regelmäßig zu arbeiten begonnen.
— Menschen arbeiten nicht nur des Geldes wegen. Soziale Kontakte im Berufsleben sind mindestens ebenso wichtig.
— Vorzeitiger Ruhestand wird oft nicht als ein Geschenk, sondern als ein Abgeschobenwerden in eine Problemgruppe empfunden.
— Ältere Arbeitnehmer zeigen keine signifikanten Leistungseinbußen gegenüber jüngeren Kollegen.
128 Lehr, U.: Lebensarbeitszeitverkürzung— Für viele ein Danaer-Geschenk, Der Arbeitgeber 1983, S. 73ff.
129 Lehr, U., a.a.O., S. 74.
130 A.a.O.,S. 74f.