Grundsätzliche Aspekte einer Verkürzung der Lebensarbeitszeit 125
Insgesamt kommt man somit aus gerontologischer Sicht zu dem paradoxen Ergebnis, daß die Lebenserwartung der Menschen ständig steigt und der Beginn des Ruhestandes permanent nach vorne gezogen wird. Aus diesem Blickwinkel heraus handelt es sich tatsächlich um eine widersprüchliche Situation.
Unabhängig hiervon ist der Sachverhalt zu sehen, daß viele Mitarbeiter und insbesondere auch Führungskräfte nur ungenügend auf den Ruhestand vorbereitet sind.„Es ist vielfach grotesk und geradezu peinlich mitanzusehen, wie da und dort um vertragliche Verlängerungsmöglichkeiten oder Beratungsverträge gerungen wird, um den Übergang in den Ruhestand, der bei rechtzeitiger Planung und vor allem bei echten Persönlichkeiten eine durchaus aktive und ausgefüllte Zeit darstellen kann, hinauszuschieben.“!3! Sicherlich ist es nicht sinnvoll, wenn man mit seinem Unternehmen gewissermaßen„verheiratet“ ist. Zur Mobilität im Beruf gehört auch das Vermögen, die Freizeit sinnvoll auszufüllen. Dies ändert jedoch nichts an dem Grundproblem, daß der Übergang in den Ruhestand zunehmend zu einer Zeit erfolgt, in der viele Mitarbeiter noch einen tiefen Sinn in ihrem Beruf sehen und die Arbeit als„identitätsstiftend“!? bezeichnet werden kann.
Sieht man von diesem fundamentalen Problem und den demographischen Zusammenhängen einmal ab, werden im wesentlichen drei weitere Argumente gegen eine Verkürzung der Lebensarbeitszeit vorgebracht, zu denen naturgemäß unterschiedliche Ansichten vorgebracht werden können:!3}
a) Das Unwirksamkeitsargument
Hier geht es um die Frage, welche Entlastungswirkung auf dem Arbeitsmarkt durch eine Vorziehung der Altersgrenze erreicht werden kann. Erstens wird auf die faktisch heute schon vorhandenen Möglichkeiten verwiesen, von denen auch reger Gebrauch gemacht wird. Zweitens gibt es unterschiedliche Meinungen über den Anteil der Arbeitsplätze, der nach dem Ausscheiden der Mitarbeiter wieder besetzt werden wird. Nach Meinung von Gerhard Bäcker und Gerhard Nägele wäre bei einer Vorziehung auf das 60. Lebensjahr mit 110.000 Mitarbeitern zu rechnen, die von dieser
131 Bemerkungen zur Pensionierungsgrenze für Führungskräfte, Personalwirtschaft 12/82,
Ss. 22. 132 Klages, H.: Die„sozialen Kosten“ sind erschreckend, Blick durch die Wirtschaft v.
14. 6. 1983. 133 Kühlewind, G.: Zur Erweiterung der flexiblen Altersgrenze, Materialien aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 1982/3.