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Arbeitszeit im Wandel : Möglichkeiten und Formen der Arbeitszeitgestaltung / von Helmut Glaubrecht; Dieter Wagner; Ernst Zander
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Grundsätzliche Aspekte einer Verkürzung der Lebensarbeitszeit 125

Insgesamt kommt man somit aus gerontologischer Sicht zu dem parado­xen Ergebnis, daß die Lebenserwartung der Menschen ständig steigt und der Beginn des Ruhestandes permanent nach vorne gezogen wird. Aus die­sem Blickwinkel heraus handelt es sich tatsächlich um eine widersprüchli­che Situation.

Unabhängig hiervon ist der Sachverhalt zu sehen, daß viele Mitarbeiter und insbesondere auch Führungskräfte nur ungenügend auf den Ruhe­stand vorbereitet sind.Es ist vielfach grotesk und geradezu peinlich mit­anzusehen, wie da und dort um vertragliche Verlängerungsmöglichkeiten oder Beratungsverträge gerungen wird, um den Übergang in den Ruhe­stand, der bei rechtzeitiger Planung und vor allem bei echten Persönlich­keiten eine durchaus aktive und ausgefüllte Zeit darstellen kann, hinauszu­schieben.!3! Sicherlich ist es nicht sinnvoll, wenn man mit seinem Unter­nehmen gewissermaßenverheiratet ist. Zur Mobilität im Beruf gehört auch das Vermögen, die Freizeit sinnvoll auszufüllen. Dies ändert jedoch nichts an dem Grundproblem, daß der Übergang in den Ruhestand zuneh­mend zu einer Zeit erfolgt, in der viele Mitarbeiter noch einen tiefen Sinn in ihrem Beruf sehen und die Arbeit alsidentitätsstiftend!? bezeichnet werden kann.

Sieht man von diesem fundamentalen Problem und den demographischen Zusammenhängen einmal ab, werden im wesentlichen drei weitere Argu­mente gegen eine Verkürzung der Lebensarbeitszeit vorgebracht, zu denen naturgemäß unterschiedliche Ansichten vorgebracht werden können:!3}

a) Das Unwirksamkeitsargument

Hier geht es um die Frage, welche Entlastungswirkung auf dem Arbeits­markt durch eine Vorziehung der Altersgrenze erreicht werden kann. Er­stens wird auf die faktisch heute schon vorhandenen Möglichkeiten ver­wiesen, von denen auch reger Gebrauch gemacht wird. Zweitens gibt es unterschiedliche Meinungen über den Anteil der Arbeitsplätze, der nach dem Ausscheiden der Mitarbeiter wieder besetzt werden wird. Nach Mei­nung von Gerhard Bäcker und Gerhard Nägele wäre bei einer Vorziehung auf das 60. Lebensjahr mit 110.000 Mitarbeitern zu rechnen, die von dieser

131 Bemerkungen zur Pensionierungsgrenze für Führungskräfte, Personalwirtschaft 12/82,

Ss. 22. 132 Klages, H.: Diesozialen Kosten sind erschreckend, Blick durch die Wirtschaft v.

14. 6. 1983. 133 Kühlewind, G.: Zur Erweiterung der flexiblen Altersgrenze, Materialien aus der Arbeits­markt- und Berufsforschung 1982/3.