Faktische Formen des vorzeitigen Eintritts in den Ruhestand 131
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Aus Abb. 41 wird deutlich, daß im ehemals sozialdemokratischen Musterland Schweden der vorgezogene Ruhestand nicht sonderlich attraktiv zu sein scheint. Spitzenreiter sind Frankreich und Österreich. Die Bundesrepublik Deutschland ist jedoch, im obersten Drittel liegend, nicht soweit davon entfernt.
2. Rechtliche Voraussetzungen
Aufgrund welcher Regelung ist es nun besonders in unserem Lande möglich, den Eintritt in den Ruhestand vorzuziehen?
Galt zu Beginn der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahre 1889 zunächst die Altersgrenze 70, so wurde sie 1916 auf das 65. Lebensjahr herabgesetzt. Seit 1957 gibt es verschiedene Möglichkeiten, ein„vorgezogenes“ Altersruhegeld zu erhalten. Dies galt insbesondere für Arbeitslose ab dem 60. Lebensjahr, sofern sie zuvor mindestens ein Jahr ununterbrochen arbeitslos waren, und für Frauen ab dem 60. Lebensjahr, wenn sie die letzten 20 Jahre überwiegend versicherungspflichtig beschäftigt waren und 15 Jahre Versicherungszeit nachweisen können. Seit 1957 besteht auch die Flexibilität der Altersgrenze nach oben. Demnach kann„Jeder Versicherte den Bezug von Altersruhegeld über das 65. Lebensjahr hinaus beliebig aufschieben, um dann ein entsprechend der verlängerten Beitragsdauer erhöhtes„aufgeschobenes“ Altersruhegeld zu beziehen“.!4! Allerdings ist es verbreitete Praxis, daß Arbeitsverträge mit Erreichen der Altersgrenze automatisch enden oder gekündigt werden; die Flexibilität nach oben steht nur auf dem Papier.
1972/1973 wurde die flexible Altersgrenze eingeführt und damit die starre Altersgrenze für Männer geändert. Danach können Versicherte ab dem 63. Lebensjahr selbst bestimmen, wann sie in Rente gehen wollen, sofern sie mindestens 35 anrechnungsfähige Versicherungsjahre aufweisen. Schwerbehinderte, Berufs- und Erwerbsunfähige können seit dem 1. 1. 1980 mit 60 Jahren das flexible Altersruhegeld in Anspruch nehmen. Die einzelnen Formen im Gesamtsystem der flexiblen Altersgrenze sind auch aus der folgenden Abbildung 42 zu ersehen.
141 Naegele, G.: Arbeitnehmer in der Spätphase ihrer Erwerbstätigkeit, Köln 1981, S. 156.