Die Vorruhestandsregelung 169
tet diese Aussage faktisch, daß die Arbeitgeber auch bei einer gewissen Steigerung der Arbeitsproduktivität um so mehr belastet werden, je weniger die Gewerkschaften bereit sind, auf Entgeltsteigerungen oder zumindest große Teile davon zu verzichten.
Dies bedeutet aus Arbeitgebersicht, daß Vorruhestandsregelungen nur dann akzeptabel sind, wenn nicht nur die Arbeitgeber, sondern auch die Arbeitnehmer(durch versicherungsmathematische Abschläge, Anrechnung der Kosten bei Entgelterhöhungen), aber auch die Träger der Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung sowie das Finanzamt durch Steuererleichterungen zur Finanzierung herangezogen werden.
Umgekehrt kann man auch so argumentieren: Je weniger die Gewerkschaften bereit sind, Abstriche bei den Entgeltverhandlungen in Kauf zu nehmen oder sogar der Verkürzung der Wochenarbeitszeit oberste Priorität einräumen, desto geringer sind die Aussichten für die umfassende Einführung tarifvertraglich abgesicherter Vorruhestandsregelungen. Hinzu kommt die schwierige finanzielle Situation bei der Renten- und der Arbeitslosenversicherung. Je weniger es nun dem Bundesarbeitsminister gelingt, die Vorgabe der Kostenneutralität für diese Institutionen einzuhalten, desto unwahrscheinlicher ist es, daß eine gesetzliche Rahmenregelung verabschiedet wird. Insofern war es schon eine Erleichterung für die tarifvertragliche Ausfüllung von Vorruhestandsregelungen und ihre Akzeptanz bei den Anspruchsberechtigten, daß das Vorruhestandsgeld in den Grenzen des$ 3 Ziff. 9 Einkommensteuergesetz, also mit maximal 36000 DM steuerfrei gewährt wird.!82
Mittlerweile hat das Vorruhestandsgesetz seine Einführungsphase hinter sich. Obwohl die in der Tarifrunde 1984 abgeschlossenen Vorruhestandsvereinbarungen in den Betrieben auf positive Resonanz gestoßen sind, haben viele ältere Arbeitnehmer nur zögernd von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, freiwillig vorzeitig aus dem Berufsleben auszuscheiden. Das Institut der Deutschen Wirtschaft sprach insofern im Jahr 1985 von Startproblemen der Vorruhestandsregelung.!8
Auch nach der Halbzeit des auf fünf Jahre befristeten Gesetzes kann von einem großen Durchbruch eigentlich keine Rede sein: Sind während der gesamten Laufzeit des Gesetzes nach Angaben des Arbeitsministers rund
182 Vgl. Glaubrecht, H.: Betriebliche Erfahrung mit Regelungen zur Lebensarbeitszeitverkürzung. In: Knebel, H., Zander, E.(Hg.): Arbeitszeit-Flexibilisierung und Entgelt-Differenzierung, Freiburg i. Br. 1986, S. 855— 95.
183 Jwd 26/85, S. 7 vom 27. 6. 1985.