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Arbeitszeit im Wandel : Möglichkeiten und Formen der Arbeitszeitgestaltung / von Helmut Glaubrecht; Dieter Wagner; Ernst Zander
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Die Vorruhestandsregelung 169

tet diese Aussage faktisch, daß die Arbeitgeber auch bei einer gewissen Steigerung der Arbeitsproduktivität um so mehr belastet werden, je weni­ger die Gewerkschaften bereit sind, auf Entgeltsteigerungen oder zumin­dest große Teile davon zu verzichten.

Dies bedeutet aus Arbeitgebersicht, daß Vorruhestandsregelungen nur dann akzeptabel sind, wenn nicht nur die Arbeitgeber, sondern auch die Arbeitnehmer(durch versicherungsmathematische Abschläge, Anrech­nung der Kosten bei Entgelterhöhungen), aber auch die Träger der Ren­tenversicherung und der Arbeitslosenversicherung sowie das Finanzamt durch Steuererleichterungen zur Finanzierung herangezogen werden.

Umgekehrt kann man auch so argumentieren: Je weniger die Gewerk­schaften bereit sind, Abstriche bei den Entgeltverhandlungen in Kauf zu nehmen oder sogar der Verkürzung der Wochenarbeitszeit oberste Priori­tät einräumen, desto geringer sind die Aussichten für die umfassende Ein­führung tarifvertraglich abgesicherter Vorruhestandsregelungen. Hinzu kommt die schwierige finanzielle Situation bei der Renten- und der Ar­beitslosenversicherung. Je weniger es nun dem Bundesarbeitsminister ge­lingt, die Vorgabe der Kostenneutralität für diese Institutionen einzuhal­ten, desto unwahrscheinlicher ist es, daß eine gesetzliche Rahmenregelung verabschiedet wird. Insofern war es schon eine Erleichterung für die tarif­vertragliche Ausfüllung von Vorruhestandsregelungen und ihre Akzep­tanz bei den Anspruchsberechtigten, daß das Vorruhestandsgeld in den Grenzen des$ 3 Ziff. 9 Einkommensteuergesetz, also mit maximal 36000 DM steuerfrei gewährt wird.!82

Mittlerweile hat das Vorruhestandsgesetz seine Einführungsphase hinter sich. Obwohl die in der Tarifrunde 1984 abgeschlossenen Vorruhestands­vereinbarungen in den Betrieben auf positive Resonanz gestoßen sind, ha­ben viele ältere Arbeitnehmer nur zögernd von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, freiwillig vorzeitig aus dem Berufsleben auszuscheiden. Das In­stitut der Deutschen Wirtschaft sprach insofern im Jahr 1985 von Start­problemen der Vorruhestandsregelung.!8

Auch nach der Halbzeit des auf fünf Jahre befristeten Gesetzes kann von einem großen Durchbruch eigentlich keine Rede sein: Sind während der gesamten Laufzeit des Gesetzes nach Angaben des Arbeitsministers rund

182 Vgl. Glaubrecht, H.: Betriebliche Erfahrung mit Regelungen zur Lebensarbeitszeitver­kürzung. In: Knebel, H., Zander, E.(Hg.): Arbeitszeit-Flexibilisierung und Entgelt-Dif­ferenzierung, Freiburg i. Br. 1986, S. 855 95.

183 Jwd 26/85, S. 7 vom 27. 6. 1985.