Gefahren gewachsen zu sein, die mit dieser Feststellung oft verbunden sind.
Wir, die Baronin und ich, gingen nun in einige Räume, in denen ich arbeiten sollte. Doch obwohl ich, wie schon gesagt, meine Begleiterin sehr hübsch fand, war ich trotzdem oder vielleicht gerade darum anfänglich recht schüchtern und einsilbig. Denkt doch, Leute! Eine leibhaftige Baronin und. elegante Weltdame und ich beinahe noch eine Wilsnacker Rotznase. Doch bald nach der Begrüßung, die naturgemäß etwas kühl und formell ausfiel, merkte ich, daß die Baronin recht aufgeräumt und freundlich wurde. Sie machte Bemerkungen und stellte Fragen, die gar nicht zur Sache gehörten; etwa wie alt ich wäre, ob ich noch lange in Wilsnack bleiben wolle und dergleichen mehr. Dadurch taute auch ich allmählich auf und ließ mein Licht leuchten. Denn wenn ich mit den Leuten warm geworden war, war ich schon in meiner Jugend nicht auf den Mund gefallen, und an lustigen Einfällen fehlte es mir auch nicht. Damit schien auch ich der Baronin immer mehr zu gefallen, denn diese hatte mit unserer Arbeitsbesprechung durchaus keine Eile, und unsere Unterhaltung zog sich immer mehr in die Länge und wurde schließlich überaus lustig. Ich denke noch heute gelegentlich mit Schmunzeln daran zurück. Und wer uns damals» hätte belauschen können, der würde sich sehr gewundert haben, wie gut ein junger ungehobelter Bursche um eine elegante Baronin herumscharwenzeln konnte.
Doch das Spiel nahm, ein Ende — schneller als ich dachte — und beinahe mit Schrecken. Wir beiden lustigen Leute kamen zuletzt in einen abgelegenen Raum. Dort auf dem Fußboden stand ein großer Kasten, dessen Inneres wir untersuchen wollten. Wir steckten also beide unsere Köpfe hinein. Dabei mußte wohl die feine Dame, die gewiß auch eine feine Nase hatte, den Alkoholdunst deutlicher bemerkt haben, der noch von mir ausging. Sie richtete sich plötzlich auf und fragte, nicht gerade unfreundlich, aber doch ein bißchen vorwurfsvoll: „Junger Mann, trinken Sie auch schon Schnaps?“ „Ja, aber bloß gestern“, antwortete ich. „Warum denn gestern?“, wollte die Fragerin wissen. Ich erwiderte etwas von oben herab: „Na, gestern war doch der 1. Mai!“ Jetzt stutzte die Baronin erst einige Augenblicke und sah mich groß an. Dann aber schlug sie entsetzt die Hände zusammen und schrie mich an wie eine Furie: „Mein Gott, Mensch, wollen Sie denn auch schon Revolution machen?“ — Hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt sozusagen auf hohem Pferde gesessen und mich für eine Art Günstling der Baronin gehalten, so stand ich nun plötzlich da, als wenn mir die Petersilie ganz und gar verhagelt wäre. Ob ich in eigener Person „schon“ Revolution machen wollte, das wußte ich wirklich selbst nicht; auch hatte ich noch nie darüber nachgedacht, wie eine Revolution der Zukunft wohl aussehen würde. Anscheinend wußte das die Baronin ziemlich
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