Heft 
(1958) 5
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Wer von den geneigten Lesern sich bis hierher durchbuchstabiert hat, dem wird in den letztenSentenzen aufgefallen sein, daß die Gans einmal eine Gaus und einmal eine Goos ist. Das ist der Reichtum der Mundart. In der hochdeutschen Sprache ist solch ein Wort immer gleich, soweit der Duden reicht. In der Mundart aber lautet es ab, wird vielfältig. Das ist dann gar noch in einer solch kleinen Landschaft, wie unsere Prignitz sie ist, der Fall. Der Mittelprignitzer sagtHöhner, Göös, Preester. Der westliche Prig- nitzer dagegen, dessen Dörfer schon an Mecklenburg grenzen, hat einen ganz anderen Zungenschlag:Häuhner, Gäus, Preister. Und in der öst­lichen Prignitz wandelt es sich dann in umgekehrter Richtung: Aus Göös wird Gäns. Und ganz am Ostrande hört man sogar für das G ein J: Jäns! Wahrscheinlich strahlt da schon das Berlinische herein:Eine jut jebratene Jans . . .

Nehmen wir ein anderes Beispiel. Im Duden stehtweinen. Der Prignitzer hat eine ganze Skala von Wörtern zur Verfügung, um diese Gefühlsäuße­rung zu bezeichnen: bröllen, rohren, brammen, weenen, hulen, flennen, plinsen, tüten, schnucken wobei dann diese Wörter immer dieses Weinen variieren und jeweils einen anderen Grad desselben darstellen. Wohl gibt es einige dieser plattdeutschen Wörter auch im Hochdeutschen, aber dort hat z. B. das Brüllen einen ganz anderen Sinn, als wenn man bei uns sagt: De Kinner brölln. Die obigen plattdeutschen Ausdrücke für weinen be­ginnen beim explosiven Ausbruch, lauthals, und enden im stoßweisen und leisenSchnucken, das sich gar nicht erst beruhigen kann.

Wer aber von unseren hochdeutschen Lesern vermag nachstehende ab­sonderliche Verben zu deuten: tämen, tügen, malkern, kleien, eien, fleien, gnärgeln, glupschen, gnatzen, iwern, schnüwen, schnökern, klüten, knütten, zaustern? Manch einerschüddkoppt da wohl ratlos. Und was ist: fortsen, glieksen? Nicht, was unsere lieben hochdeutschen Leser vielleicht bezüglich des ersten Wortes annehmen, sondern nur: sofort, gleich! Denn dieseso in unserem plattdeutschenfortsen wird ganz anders gesprochen als das im gleichen hochdeutschen Wort. Für diesen plattdeutschen o-Laut gibt es keinen Buchstaben. Dasoa kommt ihm am nächsten. Es fehlen für das \ Platt nicht nur Buchstaben, um Laute zu bezeichnen, sondern auch eine feste, einheitliche Rechtschreibung ist nicht da, kann nicht da sein, weil, wie wir sahen, ja oft schon von Ort zu Ort die Wörter ablauten.

Wir sehen schon an den erwähnten kleinen Beispielen, wie reizvoll solch eine Mundart ist, und wie das nun vornehmlich die Sprachforschung selbst reizen muß. Darum hat sie gerade auch in unserer Prignitz, als der Ecke zwischen den Dialektländern Mecklenburg, Hannover, Sachsen, Branden­burg (Berlin) ein dankbares Arbeitsfeld. Wir freuen uns, daß wir in fast jedem Ort unserer Heimat ehrenamtliche Helfer, meist aus den Kreisen der Lehrerschaft, haben, die die Fragebogen des Brandenburg-Berlinischen Wörterbuchs ordnungsgemäß und lückenlos ausfüllen, und die so das

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