Heft 
(1922) 1
Seite
6
Einzelbild herunterladen

6

Steinzeit gebunden. Er kennt die Möglichkeiten und die Eigenschaften der neuen Gabe, die ihm zuteil wurde, noch nicht. Die kleinen, massiven Beile, die schweren plumpen Ringe und Speerspitzen der Sammlung sind der beste Beweis dafür. Aber von diesen ersten tastenden Versuchen wird der Schritt zur Vollendung mit einer bewundernswerten Schnelligkeit gemacht. Wir können nur erstaunen, wenn wir die Arbeiten sehen, die uns schon aus dem Ende der zweiten, Anfang der dritten Periode (16001200 v. Ehr.) überliefert sind. Mir den, dem das Museum nicht nur ein interessantes Raritütenkabinett ist, sondern dem sich aus den Einzelstücken ein Bild der vergangenen Zeit zusammenschließt, wird hier Raum für mannigfache Betrachtungen bleiben. Man möchte denken, daß der schon auf hoher Kulturstufe stehende Mensch jener Zeit, in dem, vielleicht stärker als in unseren Tagen, künstlerisches Leben zum Ausdruck drängte, die neuen Möglichkeiten, die das neue Material ihm bot, mit Entzücken ergriff, nachdem er sie erst einmal erkannt hatte. So ausschließlich und so freudig wandte er sich der neuen Technik und dem neuen Material zu, daß sich auf anderem Gebiet ein merkwürdiger Rückgang zeigt. Die in der Steinzeit künstlerisch reich verzierten und schön geformten Urnen sind von nun an, wenigstens in unserer Gegend, von schmuckloser Einfachheit. Es ist, als habe sich das ganze Interesse der neuen Kunstbetätigung zugewandt. Sehen wir aber, was hier geschaffen ist, so verstehen wir Wohl diese einseitige Hingabe. Technisch und künstlerisch Vollendetes ist uns vor Augen gestellt. Emen einzigartigen Fund bietet das Museum in den beiden kleinen Bronzegefäßen aus Wutike in Schrank B. 3. Man mache sich einmal den Zeitpunkt klar, in dem diese fein- wandigen, mit edlen Mustern verzierten in der Form so harmonischen Gefäße hier in unserem Norden gearbeitet sind! Zwischen 1600 und 1200 v. Ehr. sind sie entstanden. Roms und Griechenlands Kulturen sollten erst erblühen, aber hier in unsermbarbarischen" Norden gab es Meister von technisch so glänzenden Fähigkeiten, künstlerisch so feinem Empfinden, gab es Besteller und Benutzer, die Blick und Sinn hatten für die stille Feinheit und Schönheit dieser Waren.

Zwei Gewandfiguren, die in diese Zeit gehören, vertiefen und bereichern das Kulturbild für uns. Wir sehen Schmuck und Tracht von Menschen, die ihres Wertes und ihrer Würde bewußt sind. Der selbstgewebte Wollenrock der Frau, im Gürtel in Falten zusammengefaßt, das schlichte, kimonoähnliche Ober­gewand verhüllen die Gestalt in einfacher edler Weise. Ein künstlich geflochtenes Haarnetz hält und schmückt das Haar. Aber diese einfache Tracht wird belebt durch den Bronzeschmuck, den wir uns schimmernd wie Gold, nicht mit der grünen Patina, die die Bronzesunde jetzt tragen, vorstellen müssen. Die Arm­bronzen, der schön verzierte Halskragen, wie einen solchen auch Schrank 6. 8 zeigt und die Gürtelschließe verraten Reichtum und Freude an schönem Schmuck. Nicht minder edel bei aller Einfachheit ist die Tracht des Mannes. Ein im Gurt zusammengefaßtes Obergewand, das Arm und Hals frei läßt, darüber ein kurzer Mantel. Das Schuhwerk besteht aus Sandalen mit Riemen. Die Hand führt die Streitaxt, im Gürtel steckt der Dolch. Die Tracht, die für unser heutiges Klima überaus leicht erscheint, erklärt sich daraus, daß bei uns zur Bronzezeit die Temperatur durchschnittlich um 2 V 2 "/<> höher war, als heute. Sind diese beiden Gewandfiguren nun Phantasiegestalten, von einem.Künstler erträumt, oder woher wissen wir, daß diese Tracht zu jener Zeit üblich war? Stück für Stück dieser Kleidungsstücke ist aus Funden erhärtet. In Eichensärgen, in jüngst gemachten Moorfundeil sind sie uns erhalten geblieben, so daß der Künstler nur die Figur herzustellen brauchte, die diese würdige Tracht würdig und vornehm trug. Neben diesen Gewandfiguren sind im Bronzezeitraum im Heiligengraber Museum noch zwei kleine Figuren aufgestellt, die zwei Luren- bläser darstellen. Auch sie können uns einen Begriff von der Kulturhöhe der nordischen Bronzezeit geben. Diese Luren sind Musikinstrumente, sie sind paar­weise zu einander gearbeitet und auch meist paarweise gefunden, sehr zahlreich in den nordischen Ländern, Dänemark vor allem, aber auch in Norddeutschland, besonders im Holsteinschen und Hannöverschen, also in dem ausgesprochenen