Heft 
(1924) 1
Seite
5
Einzelbild herunterladen

Paul Quente erfüllte die Hoffnungen, die sie auf ihn gesetzt hatte, in immer steigendem Maße. Mit einer fast sieberhaft gesteigerten Arbeitskraft gestaltete er die Sammlungen im Laufe weniger Jahre zu einem Heimatmuseum, das sich den besten der Provinz würdig an die Seite stellen konnte, gründete den Musenms- verein, von dem er träumte, er solle alle Stände in gemeinsamer Kulturarbeit umfassen und in gegenseitigem Verständnis sich näher bringen. Seine Arbeiten und seine Vorträge fanden in der Wissenschaft lebhafte Anerkennung. Daneben wuchs er, gereift durch erschütterndes Erleben, als Künstler, wurde mehr und mehr der Maler der Prignitz. Die Aebtissin, die ihm Raum gegeben hatte, im Vertrauen auf die guten Kräfte, die in ihm lebendig waren, durfte zuversichtlich einer reichen, schöneil Ernte entgegen sehen. Da kam der Krieg. Paul Quente fiel. Vielen war die Aebtissin Trösterin gewesen in den schweren Verlusten, die der Krieg brachte. Nun zeigte sie, daß ihr Trost nicht in Worten bestanden hatte, daß sie aus der Quelle, ans der sie für andere geschöpft hatte, auch für sich zu schöpfen verstand. Unvergeßlich wird es denen, die es miterlebten, bleiben, wie sie diesen Verlust ertrug. Das Vaterland war wert der höchsten Opfer. Das Vaterland bedurfte aller Kräfte der Ueberlebenden. Die Arbeit durfte nicht ruhen, sie mußte weitergesührt werden, ja, sie wuchs mit denen, die sielen, denn das Beste ihrer Arbeit mußte ausgenommen werden in den Willen, mußte weiter­geführt werden in lebendiger Kraft. Und das tat die Aebtissin mit der Mnsenms- arbeit. Ihr war unser Heimatmuseum keine tote Sammlung geschichtlicher oder vorgeschichtlicher Denkwürdigkeiten. Ihr war es Sprache. ' In ihm sollte der Heimat anschaulich und für den Einfachsten zu fassen, ein Bild der eigenen Art gegeben werden, an dem er Vorbild und Zuversicht und Kraft gewinnen konnte auch in den dunklen Zeiten der Gegenwart. Eine Volkshochschule war es ihr, ans lebendigen Zusammenhängen erstanden und immer wieder mitten hinein in das Leben führend. Wie sah sie es so gerne, wenn unsere Prignitzer Schulen unter Führung ihrer Lehrer herbeiströmten, oft Hunderte von Kindern, deren fröhliche Stimmen die alten Kreuzgänge erfüllten. In den Zeiten, in denen ihre Gesundheit es ihr noch erlaubte, kan: sie oft selbst hinüber und gab dieser Prignitzer Jugend aus ihren: inneren Reichtun: Weisheit und Güte. Da ist manches Samenkorn gefallen, das zu seiner Zeit reifen wird.

So wußte die Aebtissin das Museum lebendig zu erhalten nicht nur in seiner wissenschaftlichen Bedeutung durch Heranziehung tüchtiger Hilfskräfte, sondern auch in seiner Auswirkung. Der Geist, ans dem es entstanden war, der Geist der Hingabe an das Allgemeine, der Geist, der das Gemeinsame suchte und fand in der Zersplitterung der Stände und Interessen, der deutsches Volkstum pflegte, der war ihr das Wertvolle an diesem Werk, dessen Erhaltung und Fort- sührung bis zuletzt ihre sorgenden Gedanken erfüllte. Aus dieser Wertung der Arbeit heraus war sie auch die erste, die die Bedeutung der Fichtegesellschaft für diese Gedanken erkannte, war sie eine der ersten, die sich als Mitglied für dieselbe meldete und den Museumsverein veranlaßte, ein gleiches zu tun. Mit inniger Freude erlebte sie dann die Spiele der Fichte-Hochschüler in Heiligen­grabe, jenen unvergeßlichen Sommerabend auf dem Wiesenplan, als das ganze Dorf bei Mondglanz und aufsteigendem Nebel versammelt war, und den deutschen Liedern lauschte, die die Hochschüler sangen, die alten deutschen Tänze mit ihnen tanzten. Das war ihr wie die Erfüllung einer fernen Hoffnung und klang tief in ihrer Seele nach.

Germanentum, Germanenart in Huchsinn vor den Menschen, in Demut vor Gott das war das, was sie für ihr Volk wünschte. Daß diese Ger­manenart so lebendig, so stark, so rein in den Musenmsfunden zu erkennen war, das bewegte ihr Herz.. Sollte es keinen Einfluß haben, wenn der Bauer, der jetzt über diese Breiten schritt, wußte, daß vor tausenden von Jahren hier schon hohe, alte Bauernkultur blühte, daß seine Vorfahren im Glauben an Allvater zu den Sternen aufgeblickt hatten und beim Tode wußten, daß sie in das andere Licht gingen, daß vor tausenden von Jahren schon hier Frauen am