Wahrheit liegt nicht in der Wirkung des Lichtes auf den Stoff, nicht in den Gesetzen der mathematischen Offenbarung, Licht, Richtung, Widerstand! — das sind nur die Mittel des sich uns zeitlich offenbarenden Gottes, der Buchstaben, die Schrift darin, der „andere Zeuge", die Natur, wie diese zu uns spricht. Dahinter steht der heilige, gewaltige Gott selbst, der Sich im Sohn offenbart als Liebe. Das ist die Seele der Natur, die zu unsrer Seele spricht. Du wirst nicht aufhören, ihr zu lauschen.
20. 7. ll)08.
Wunderbar schön ist's hier gewesen die letzten Abende. Wir hatten großartige Sonnenuntergänge, besonders vorgestern. -- Alles war erfüllt von wunderbarer Schönheit, der Himmel, und die Erde in seinem Abglanz. Ich wollte, ich könnte Dir's schildern, daß Du auch etwas hättest von der Freude, die mir davon wurde. — Ein tiefes, reines, verklärtes Blau breitete sich im Südosten. Die dunklen Eichen und Kastanien, die den Mittelgrund bildeten von meinem Standpunkt, stimmten herrlich zum Himmelston und hoben sich doch kräftig davon ab. Darüber ballten sich lichte Wolken, die schließlich sich in ganz goldigen Tönen über das herrliche Blau verteilten. Alles ruhig, groß, gewaltig, schön! Ein Farbenhymnus zu des Schöpfers Ehre. Ich stand mit meinem Sommergast, einem alten Kinde, auf der Bahn vor dem Rotluch. Wir wären am liebsten ganz Auge gewesen, denn rings umher war Schönheit, und dabei war das Bild so verschieden nach allen Seiten, groß, erhaben aber überall. Ost und West und Süd und Nord pries Gott. —
24. 0. UXR.
Die Rosen sind auf der Höhe. Wenn man sieht, mit welcher Hingabe an das Licht sie sich entfalten! wie sie sich nicht genug tun können im Blühen, man muß sie lieb haben!
0. 4. 1910.
Du hast so viele Erfahrungen gesammelt und wendest Dich doch so gern von der Wirklichkeit ab, lebst im Märchenlandc und verlangst Märchenhaftes von der Gegenwart und der Zukunft. Nieles davon wird sich auch answirken, das denke ich bestimmt, aber Dil darfst Dich doch nicht allzuweit dahinein geben! Klares, festes Wollen muß Dich regieren und Fundament bauen für Deine Zukunft. Deine Zukunft! Die soll mehr bedeuten als Dein Glück. Sie soll viele reich machen an großer Freude, Du sollst Großes wollen, Schönheit und Reinheit fördern, Gutes wirken zu Gottes Ehre. Wer dergleichen will, muß aber streng sein gegen sich selbst. — Das schönste Märchen ist das Leben, sagt Stieler, und er hat recht. Von der rechten Seite besehen, ist das - Leben ein schönes Märchen, ein Dasein in der Wirklichkeit, die doch eigentlich das Unwesentliche ist. Das Wahre liegt im Unsichtbaren, in den Motiven, die uns bewegen, in den Empfindungen, die in uns leben, in dem Pflichtbewusstsein, das uns beherrscht. Das kam: ich — das soll ich - - das darf ich - Gott, mir selbst und auch den Menschen gegenüber, unter die ich gestellt bin. Die Umstände, unter denen ich mich bewähren soll, fügt die unsichtbare Hand.