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daß ich unrecht hatte. Aber nichts habe ich bei ihm erreicht, gar nichts/'
„Und haben Sie niemals eine Vermittlung - "
„Das ist es ja eben," fuhr sie mit thrünenden Augen sort. „Meine Stiesmutter — Sie wissen, die beiden hielten so viel auseinander — und so habe ich mich ihr — sonst bis jetzt außer Ihnen teurem — gleich damals habe ich mich ihr anvertrant. Aber sie hat nichts bei ihm erreicht. Im Gegenteil. Viel ärger ist es seitdem geworden."
Das war freilich eine schlimme Aussicht für den Erfolg meiner Erörterung mit Leopold, die ich ihr gleichwohl zusagle.
Sehr diplomatisch fing ich die Sache eben nicht an, das heißt, als er am Nachmittag mich im Gast- hos abholen wollte, brach ich mit meiner Mission gleich vom Zaun und rückte ihm derb zu Leibe. Wie das einem alten Schulmeister eben so geht — ich fürchte, im Verlaufe unsrer Auseinandersetzung verfiel ich mehr und mehr in einen Ton, als ob der andre immer noch als Primaner vor seinem Direktor stände „ml rmäwmluni verbum", um sich abkanzeln zu lassen; und daß er bei alledem seine Höflichkeit noch immer bewahrte, brachte mich noch mehr in Harnisch.
„Du lieber Gott," rief ich schließlich, „betrachten Sie die Sache doch einmal objektiv, Mensch! Sehen Sie mal: wenn einer dem andern gegenüber auf seine Ueberlegenheit trumpft, so kann das den andern doch vernünftigerweise nur an der Ehre kränken, wenn die Ueberlegenheit wirklich da ist. Zum Exempe!, wenn mich alten Esel jetzt eine Königstochter heiratete, und mir dann hernach zu verstehen gäbe: ich bin Königstochter und du bist Nat vierter Klasse, also Hab' ich recht — ja, das könnte mich freilich kränken. Aber bei Ihnen — mein Gott, ja, Ihre Frau hat die Mitgift in bar mitgebracht, und Sie haben ihr als Mahlschatz dafür Ihren Titel, Ihr Amt, Ihr ganzes Ansehen in der Gelehrtenwelt gegeben — also —"
Er sah mich lang an, mit einem Blick des Erstaunens. „Ach," sagte er, „also das hat sie Ihnen gar nicht gesagt? Nicht? Hm, ich verstehe, vielleicht hat die Schwiegermutter ihr davon gar nichts wieder erzählt. Ich kann mir's denken. Man redet nicht gern von seiner Dummheit. Und dumm war's doch von der Frau Geheimrat, nicht wahr — erzdnmm, öaß sie mir zuletzt so ganz im Vertrauen zu bedenken gab, ich müßte doch Gisela etwas zu gut halten, denn sie — Gisela — habe doch auch damals in der Residenz insgeheim bei den und den Hochmögenden, bis Zum Minister hinauf, intrigiert und angehalten, daß sie aus alter Bekanntschaft mit ihren Eltern ein übriges thäten und — und — dem Privatdozenten Klinger etwas eher eine Berufung verschasslen."
Ich konnte nichts thun, als ihn erschrocken an- sehen. Er war sehr bleich, seine Zähne knirschten einen Augenblick wie im Fieber. „Ja, sehen Sie," fuhr er sort mit einem schauerlichen Versuch, zu lächeln, während seine Hände sich ballten, „da sitzt es. Das andre — mein Gott, ich wäre vielleicht noch
d und Meer.
darüber gekommen; damals — oder später. Liebe gegen Ehre es hat mir Mühe genug gekostet, den Prozeß in meinem Herzen für die Ehre dnrch- zuführen. Aber das — ein armer Kerl — und ein Amt nnr von seiner Frau Gnaden — und wer bürgte mir dafür, daß sie mir nicht auch diese Rechnung einmal präsentiert?"
„Ums Himmels willen, halten Sie inne!" riet ich. „Machen Sie die, die Sie lieben, nicht in ewiger Selbstguälerei schlechter als Sie glauben. Fragen Sie doch lieber sich, fragen Sie, wen Sie wollen, wem Sie Ihre Stellung verdanken! Ihnen selbst — wenn Sie wollen, auch einer Gerechtigkeit, die das Talent und der Fleiß nicht immer finden, aber doch gewiß nicht den unbedachten Schritten eines jungen Mädchens und einem Nepotismus, an den ich alter Staatsdiener in nnserm Staate nicht glauben kann, noch will!"
Er schüttelte den Kops. „Wer bürgt mir dafür?" murmelte er. „Fragen soll ich? Das meinen Sie nicht im Ernste, mein lieber, väterlicher Freund. Soll ich selber das Tuch wegziehen, meinen Namen zum Gespött machen, der jetzt auch der ihre ist? Schon jetzt, wer weiß, wie viele darum wissen — o, der Gedanke ist zum Tollwerden... Nein, für mich, für meine Ehre bleibt nur noch das eine: möglichst nichts von dem anrühren, was nicht mein ist, und das, was ich besitze, ohne es verdient zu haben, zu erwerben suchen. Wenn ich durch Quertreibereien, von denen ich nichts wußte, eine ordentliche Professur bekommen habe, nun, so muß ich eben sehen, daß ich mich zu einem ordentlichen Professor mache. Und nun, bitte, lassen Sie's genug sein! Sie sehen, daran läßt sich nichts ändern. Das ist alles so fest wie —"
„Wie eine fixe Idee," ergänzte ich grimmig.
Er nickte traurig. „Vielleicht," sagte er. „Vielleicht ist auch die Ehre eine — eine fixe Idee. Aber man muß sich ihr doch fügen."
Wir schwiegen beide eine Weile. Tann begann er in seinem gewohnten höflich freundlichen Tone: „Das ist mir bös zwischen meine Bitte geraten, mein lieber Herr Direktor. Ich kam nämlich heute eigentlich mit einer Bitte. Wir — meine Frau und ich — wir wollten nämlich so gegen Pfingsten einige Zeit nach Hans Hohnsdorf hinaus —"
„Nanu?" machte ich unwillkürlich.
„Ja," fuhr er immer verlegener sort, „es wird hier nämlich um Pfingsten etwas ganz Besonderes geben - Sie haben wohl davon gelesen — Besuch des Prinzen — ein Fest nach dem andern — auch akademische natürlich . . . Meine Frau und ich . . . wir wünschen uns dem Zu entziehen . . . und da hoffte ich, daß Sie während der Zeit ans Hohnsdorf unser Gast wären . . . Wenn Sie vielleicht schon ein paar Tage vorher hinanszögen — und uns dann gleich abholen wollten an der Station, der Wagen steht Ihnen zur Verfügung. . . Aber jetzt, nach nnserm heutigen Gespräch..."
„Jetzt verstehe ich Ihre Bitte, jawohl," antwortete ich kurz. „Ich nehme aber Ihre Einladung dankend an, trotzdem."