Heft 
(1897) 07
Seite
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Ueber Land und Weer.

Czako lachte.Nun hören Sie, Rex, Regi­menter kenn' ich doch auch. Es giebt ihrer von allen Arten, aber Sittlichkeitsregimenter kenn' ich noch nicht."

Es giebt's ihrer aber. Zum mindesten hat's ihrer immer gegeben, sogar solche mit Askese."

Nun ja, Cromwell, Puritaner. Aber siooZ, looZ ago'. Verzeihen Sie die abgedndelte Phrase. Aber wenn sich's um so feine Dinge wie Askese handelt, muß man notwendig einen englischen Brocken einschalten. Sonst bleibt alles beim alten. Sie sind ein schlechter Menschenkenner, Rex, wie alle Konventikler. Die glauben immer, was sie wün­schen. Und auch an unserm Stechlin werden Sie mutmaßlich erfahren, wie falsch Sie gerechnet haben. Im übrigen kommt da ein Wegweiser. Lassen Sie uns Nachsehen, wo wir eigentlich sind. Wir reiten so immer draus los und wissen nicht mehr, ob links oder rechts."

Rex war einfach für Weiterreiten, und das war auch das richtige. Denn keine halbe Stunde mehr, so holte Stechlin sie wieder ein.Ich wußte, daß ich Sie noch vor Genshagen treffen würde. Die Frau Oberförsterin läßt sich übrigens den Herren empfehlen. Er war nicht da, was recht gut war."

Kann ich mir denken," sagte Czako.

Und was noch besser war, sie sah brillant aus. Eigentlich ist sie nicht hübsch, Blondine mit großen Vergißmeinnichtaugen nnd etwas lymphatisch; auch wohl nicht ganz gesund. Aber sonderbar, solche Damen, wenn was in Sicht steht, sehen immer besser aus als in natürlicher Verfassung, ein Zustand, der allerdings bei der Katzler kaum vorkommt. Sie ist noch nicht volle sechs Jahre verheiratet und erwartet mit nächstem das Siebente."

Das ist aber doch unerhört. Ich glaube, so was ist Scheidungsgrund."

Mir nicht bekannt und auch, offen gestanden, sehr unwahrscheinlich. Jedenfalls wird es-die Prin­zessin nicht als Scheidungsgrund nehmen."

Die Prinzessin?" fuhren Rex und Czako a tempo heraus.

Ja, die Prinzessin," wiederholte Woldemar. Ich war all die Zeit über gespannt, was das für einen Eindruck auf Sie machen würde, weshalb ich mich auch gehütet habe, vorher mit Andeutungen zu kommen. Und es traf sich gut, daß mein Vater gestern abend nur so leicht drüber hinging, ich möchte beinah' sagen diskret, was sonst nicht seine Sache ist."

Prinzessin," wiederholte Rex, dem die Sache beinah' den Atem nahm.Und aus einem regierenden Hause?"

Ja, was heißt aus einem regierenden Hause? Negiert haben sie alle mal. Und soviel ich weiß, wird ihnen dies ,mal regiert haben' auch immer noch angerechnet, wenigstens sowie fichs um Eheschließungen handelt. Um so großartiger, wenn einzelne darauf verzichten und ohne Rücksicht auf Ebenbürtigkeit sich aus reiner Liebe vermählen. Ich sage ,vermählen', weil ,sich verheiraten' etwas plebeje klingt. Frau Katzler ist eine Jppe-Büchsenstein."

Eine Jppe!" sagte Rex.Nicht Zu glauben.

Und erwartet wieder. Ich bekenne, daß mich das am meisten chokiert. Diese Ausgiebigkeit, ich finde kein andres Wort, oder richtiger,, ich will kein andres finden, ist doch eigentlich das Bürgerlichste, was es giebt."

Zugegeben. Und so hat es die Prinzessin auch selber aufgefaßt. Aber das ist gerade das Große an der Sache; ja, so sonderbar es klingt, das Ideale."

Stechlin, Sie können nicht verlangen, daß man das so ohne weiteres versteht. Ein halb Dutzend Bälge, wo steckt da das Ideale?"

Doch, Rex, doch. Die Prinzessin selbst, und das ist das Rührendste von der Sache, hat sich dar­über ganz direkt ausgesprochen. Und zwar zu meinem Alten. Sie sieht ihn öfter und möchte ihn, glaub' ich, bekehren, sie ist nämlich von der strengen Richtung und hält sich auch zu Super­intendent Koseleger, unserm Papst hier. Und kurz und gut, sie macht meinem Papa beinah' den Hof und erklärt ihn für einen perfekten Kavalier, wobei Katzler immer ein etwas süßsaures Gesicht macht, aber natürlich nicht widerspricht."

Und wie kam sie nur dazu, Ihrem Papa gerade Konfessions in einer so delikaten Sache zu machen?"

Das war voriges Jahr, genau um diese Zeit, als sie auch mal wieder erwartete. Da war mein Vater drüben und sprach, als das durch die Situation gegebene Thema berührt wurde, halb diplomatisch, halb humoristisch von der Königin Luise, hinsichtlich deren der alte Heim, der berühmte Arzt, als auch da das Siebente' geboren werden sollte, von der Notwendigkeit der ,Brache' gesprochen hatte."

Bißchen stark," sagte Rex.Ganz im alten Heim-Stil. Aber freilich, Königinnen lassen sich viel gefallen. Und wie nahm die Prinzessin es aus?"

O, sie war reizend, lachte, war weder verlegen noch verstimmt, sondern nahm meines Vaters Hand so zutraulich, wie wenn sie seine Tochter gewesen wäre. ,Ja, lieber Herr von Stechlin,' sagte sie,

,wer A sagt, der muß auch B sagen. Wenn ich diesen Segen durchaus nicht wollte, dann mußt' ich einen Durchschnittsprinzen heiraten, dann hätte ich vielleicht das, was der alte Heim empfehlen zu müssen glaubte. Statt dessen nahm ich aber meinen guten Katzler. Herrlicher Mann. Sie kennen ihn und wissen, er hat die schöne Einfachheit aller statt­lichen Männer, und seine Fähigkeiten, soweit sich überhaupt davon sprechen läßt, haben etwas Ein­seitiges. Als ich ihn deshalb heiratete, war ich ganz von dem einen Gedanken erfüllt, alles Prinzeß- liche von mir abzustreisen und nichts bestehen zu lassen, woraus Uebelwollende hätten herleiten können: Ah, sie will eine Prinzessin sein." Ich entschloß mich also für das Bürgerliche, und zwarvoll und ganz", wie man jetzt, glaub' ich, sagt. Und was dann kam, nun, das war einfach die natürliche Konsequenz.'" i

Großartig," sagte Rex.Ich entschlage mich nach solchen Mitteilungen jeder weiteren Opposition. Welch ein Maß von Entsagung! Denn auch im Nichtentsagen kann ein Entsagen liegen. Andauernde Opferung eines Innersten und Höchsten."