Heft 
(1897) 07
Seite
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Aeber Land und Meer.

während Rex und Czako nach kurzer Vorstellung in den von Schränken umstellten Flur eintraten.

Ich habe dein Telegramm," sagte die Domina, erst um ein Uhr erhalten. Es geht über Gransee, und der Bote muß weit lausen. Aber sie wollen ihm ein Rad anschaffen, solches wie jetzt überall Mode ist. Ich sage Rad, weil ich das fremde Wort, das so verschieden ausgesprochen wird, nicht leiden kann. Manche sagen ,ciß und manche sagen ,schnü Bildungsprätensionen sind mir sremd, aber man will sich doch auch nicht bloßstellen."

Eine Treppe sührte bis in den ersten Stock hinaus, eigentlich war es nur eine Stiege. Die Domina, nachdem sie die Herren bis an die unterste Stuse begleitet hatte, verabschiedete sich hier aus eine Weile.Du wirst so gut sein, Woldemar, alles in deine Hand zu nehmen. Führe die Herren hinaus. Ich habe unser bescheidenes Klostermahl aus süns Uhr angeordnet; also noch eine gute halbe Stunde. Bis dahin, meine Herren. . ."

Oben war eine große Plättkammer zur Fremden­stube hergerichtet worden. Ein Waschtisch mit Finken­näpfchen und Krügen irr Kleinformat war ansgestellt worden, was in Erwägung der beinahe liliputanischen Naumverbältnisse durchaus passend gewesen wäre, wenn nicht sechs an eben so vielen Thürhaken hängende Nieseuhaudtücher das Ensemble wieder gestört hätten. Rer, der sich ihn drückten die Stiefel aus kurze Zehn Minuten nach einer kleinen Erleichterung sehnte, bediente sich eines eisernen Stiefelknechtes, während Czako sein Gesicht in einer der kleinen Waschschüsseln begrub und beim Abreiben das feste Gewebe der Handtücher lobte.

Sicherlich Eigengespinst. Ueberhaupt, Stechlin, das muß wahr sein, Ihre Tante hat so was; man merkt doch, daß sie das Regiment führt. Und wohl schon seit lange. Wenn ich recht gehört, ist sie älter als Ihr Papa."

O, viel; beinahe um Zehn Jahre. Sie wird sechsundsiebzig."

Ein respektables Alter. Und ich muß sagen, Wohl konserviert."

Ja, man kann es beinahe sagen. Das ist eben der Vorzug solcher, die man .schlanU nennt. Beiläufig ein Euphemismus. Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren und die Zeit natür­lich auch; sie kann nichts nehmen, wo sie nichts mehr findet. Aber ich denke Rex thnt mir übrigens leid, weil er wieder in seine Stiesel muß wir begeben uns jetzt nach unten und machen uns möglichst liebenswürdig bei der Tante. Sie wird uns wohl schon erwarten, um uns ihren Liebling vorzustellen.

Wer ist das?"

Nun, das wechselt. Aber da es bloß vier sein können, so kommt jeder bald wieder an die Reihe. Wahrend ich das letzte Mal hier war, war es ein Fräulein von Schmargendorf. Und es ist leicht möglich, daß sie jetzt gerade wieder dran ist."

Eine nette Dame?"

O ja. Ein Pummel."

Und wie vorgeschlagen, nach kurzemSich- ajustieren" in der improvisierten Fremdenstube, kehrten alle drei Herren in Tante Adelheids Salon zurück, der niedrig und verblakt und etwas alt­modisch war. Die Möbel, lauter Erbschastsstücke, wirkten in dem niedrigen Raume beinahe grotesk, und die schwere Tischdecke, mit einer mächtigen, ziemlich modernen Astrallampe darauf, paßte schlecht zu dem Zeisigbauer am Fenster und noch schlechter zu dein über einen: kleinen Klavier hängen­den Schlachtenbilde:König Wilhelm ans der Höhe von Lipa". Trotzdem hatte dies stillose Durch­einander etwas Anheimelndes. In dem primitiven Kamin nur eine Steinplatte mit Nauchfang war ein Holzsener angezündet; beide Fenster standen aus, waren aber durch schwere Gardinen so gut wie wieder geschlossen, und aus dem etwas schief über dem Sofa hängenden Quadratspiegel wuchsen drei Pfauenfedern heraus.

Tante Adelheid hatte sich in Staat geworfen und ihre Karlsbader Granatbrosche vorgesteckt, die der alte Dubslav wegen der sieben mittelgroßen Steine, die einen größeren und buckelartig vorspringenden umstanden, dieSieben-Kurfürsten-Brosche" nannte. Der hohe, hagere Hals ließ die Domina noch größer und herrischer erscheinen, als sie war, und recht­fertigte durchaus die brüderliche Malice:Wickel­kinder, wenn sie sie sehen, werden unruhig, und wenn sie zärtlich wird, saugen sie an Zu schreien." Man sah ihr an, daß sie nur immer vorübergehend in einer höheren Gesellschaftssphäre gelebt hatte, sich trotzdem aber zeitlebens der angeborenen Zugehörig­keit zu diesen Kreisen bewußt gewesen war. Daß man sie zu der Domina gemacht hatte, war nur zu billigen. Sie verstand durchaus zu rechnen und anzn- orduen und war nicht bloß von sehr gutem natür­lichen Verstand, sondern unter Umständen auch voll Interesse für ganz bestimmte Personen und Dinge. Was aber, trotz solcher Vorzüge, den Verkehr mit ihr so schwer machte, das war die tiefe Prosa ihrer Natur, das märkisch Enge, das Mißtrauen gegen alles, was die Welt der Schönheit oder Freiheit auch nur streifte.

Sie erhob sich, als die drei Herren eintraten, und war gegen Rex und Czako aufs neue von ver­bindlichstem Entgegenkommen.Ich muß Ihnen noch einmal aussprechen, meine Herren, wie sehr ich bedaure, Sie nur so kurze Zeit unter meinem Dache sehen Zu dürfen."

Du vergißt mich, liebe Tante," sagte Wolde­mar.Ich bleibe dir noch eine gute Weile. Mein Zug geht, glaub' ich, erst um neun. Und bis dahin erzähl' ich dir eine Welt und beichte."

Nein, nein, Woldemar, nicht das. Erzählen sollst du recht viel. Und ich habe sogar Fragen aus dem Herzen. Du weißt wohl schon, welche. Aber nur nicht beichten. Schon das Wort macht mir ein Unbehagen. Es hat solchen katholischen Beigeschmack. Unser Rentmeister Fix hat recht, wenn er sagt: ,Beichte sei nichts, weil immer unehrlich, und es habe in Berlin aber das sei nun freilich schon lange her einen Geistlichen gegeben, der habe den

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