Heft 
(1897) 07
Seite
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Stechtin.

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Beichtstuhl eineu Satansstuhl genannt? Das find' ich nun offenbar übertrieben und habe mich auch in diesem Sinne zu Fix geäußert. Aber andrerseits freue ich mich doch aufrichtig, einem so mutig pro­testantischen Worte gelegentlich zu begegnen. Mut ist, was uns not thut. Ein fester Protestant, selbst wenn er schroff anftritt, ist mir immer eine Herz­stärkung, und ich darf ein gleiches Empfinden auch wohl bei Ihnen, Herr von Rex, voraussetzen."

Rex verbeugte sich. Woldemar aber sagte zu Czako:Ja, Czako, da sehen Sie's. Sie sind nicht einmal genannt worden. Eine Domina verzeih, Tante bildet ein feines Unterscheidungs- Vermögen aus."

Die Tante lächelte gnädig und sagte:Herr von Czako ist Offizier. Es giebt viele Wohnungen in meines Vaters Hause. Das aber muß ich aus- sprechen, der Unglaube wächst, und das Katholische wächst auch. Und das Katholische, das ist das Schlimmere. Götzendienst ist schlimmer als Unglaube."

Gehst du darin nicht zu weit, liebe Tante?"

Nein, Woldemar. Sieh, der Unglaube, der ein Nichts ist, kann den lieben Gott nicht beleidigen; aber Götzendienst beleidigt ihn. Du sollst keine andern Götter haben neben mir. Da steht es. Und nun gar der Papst in Nom, der ein Obergott sein will und unfehlbar."

Czako, während Nex schwieg und nur seine Ver­beugung wiederholte, kam auf die verwegene Idee, für Papst und Papsttum eine Lanze brechen zu wollen, entschlug sich dieses Vorhabens aber, als er wahr- nalnn, daß die alte Dame ihr Dominagesicht aus­setzte. Das war aber nur eine rasch vorübergehende Wolke. Dann fuhr Tante Adelheid, das Thema wechselnd, in schnell wiedergewonnener guter Laune fort:Ich habe die Fenster öffnen lassen. Aber auch jetzt noch, meine Herren, ist es ein wenig stickig. Das macht die niedrige Decke. Darf ich Sie vielleicht ausfordern, noch eine Promenade durch unfern Garten zu machen? Unser Klostergarten ist eigentlich das Beste, was wir hier haben. Nur der unsers Rentmeisters ist noch gepflegter und größer und liegt auch am See. Rentmeister Fix, der hier alles znsammenhält, ist uns, wie in wirt­schaftlichen Dingen, so auch namentlich in seinen Gartenanlagen, ein Vorbild; überhaupt ein charakter­voller Mann, und dabei treu wie Gold, trotzdem sein Gehalt klein ist und seine Nebeneinnahmen ganz unsicher in der Luft schweben. Ich hatte Fix denn auch bitten lassen, mit uns bei Tisch zu sein; er ver­steht so gut Zu plaudern, gut und leicht, ja beinahe srei- weg und doch immer durchaus diskret. Aber er ist dienstlich verhindert. Die Herren müssen sich also mit mir begnügen und mit einer unsrer Konven- tnalinnen, einem mir lieben Fräulein, das immer munter und ausgelassen, aber dabei durchaus be­kenntnisstreng ist, ganz von jener schönen Heiterkeit, die man bloß bei denen findet, deren Glaube feste Wurzeln getrieben hat. Ein gut Gewissen ist das beste Ruhekissen. Damit hängt es Wohl zusammen."

Nex, an den sich diese Worte vorzugsweise ge­richtet hatten, drückte wiederholt seine Zustimmung

ans, während Czako beklagte, daß Fix verhindert sei.Solche Männer sprechen zu hören, die mit dem Volke Fühlung haben und genau wissen, wie's einerseits in den Schlössern, andrerseits in den Hütten der Armut anssieht, das ist immer in hohem Maße fördernd und ein Etwas, auf das ich jederzeit un­gern verzichte."

Gleich danach erhob man sich und ging in den Garten.

Der war von sehr ländlicher Art. Durch seine ganze Länge hin zog sich ein von Bnchsbaumrabatten eingefaßter Gang, neben dem links und rechts, in wohlgepflegten Beeten, Rittersporn und Studenten­blumen blühten. Gerade in seiner Mitte weitete sich der sonst schmale Gang zu einem runden Platz aus, darauf eine große Glaskugel stand, ganz an die Stechliuer erinnernd, nur mit dem Unterschied, daß hier das eingelegte blanke Zinn fehlte. Beide Kugeln stammten natürlich aus der Globsowergrünen Hütte". Weiterhin, ganz am Ausgange des Gartens, wurde mau eines etwas schiefen Bretterzaunes an­sichtig, mit einem alten Pslaumenbaum dahinter, dessen Hauptzweig aus dem Nachbargarteu her in den der Domina herüberreichte.

Rex führte die Tante. Dann folgte Woldemar mit Hauptmann Czako, weit genug ab von dem voranfgehenden Paar, um ungeniert miteinander sprechen zu können.

Nun, Czako," sagte Woldemar,bleiben wir, wenn's sein kann, noch ein bißchen weiter zurück. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie gern ich in diesem Garten bin. Allen Ernstes. Ich habe hier nämlich als Junge hundertmal gespielt und in den Birnbäumen gesessen. Damals standen hier noch welche, hier links, wo jetzt die Mohrrübenbeete stehen. Ich mache mir nichts aus Mohrrüben, woraus ich schließe, daß wir heut welche zu Tisch kriegen. Wie gefällt Ihnen der Garten?"

Ausgezeichnet. Es ist ja eigentlich ein Bauern­garten, aber doch mit viel Rittersporn drin. Und zu jedem Rittersporn gehört eine Stistsdame."

Nein, Czako, nicht so. Sagen Sie mir ganz ernsthaft, ob Sie solche Gärten leiden können."

Ich kann solche Gärten eigentlich nur leiden, wenn sie eine Kegelbahn haben. Und dieser hier ist wie geschaffen dazu, laug und schmal. Alle unsre modernen Kegelbahnen sind zu kurz, wie früher alle Betten zu kurz waren. Wenn die Kugel aufsetzt, ist sie auch schon da, und der Bengel unten schreit einen an mit ,acht um den Königü Für mich sängt das Vergnügen erst an, wenn das Brett lang ist und man der Kugel anmerkt, sie möchte links oder rechts abirren, aber die eingeborene Gewalt zwingt sie zum Ausharren, zum Bleiben auf der rechten Bahn. Es hat was Symbolisches oder Pädagogi­sches, oder meinetwegen auch Politisches."

Unter diesem Gespräche waren sie, ganz nach unten hin, bis an die Stelle gekommen, wo der nachbarliche Pslaumenbaum seinen Zweig über den Zaun wegstreckte. Neben dem Zaun aber, in gleicher Linie mit ihm, stand eine grnngestrichene Bank, auf der, von dem Gezweig überdacht, eine Dame saß.