Heft 
(1897) 07
Seite
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Ueöer Land und Weer.

mit einem kleinen runden Hut und einer Adlerseder. Als sich die Herrschaften ihr näherten, erhob sie sich und schritt auf die Domina zu, dieser die Hand zu küssen; zugleich verneigte sie sich gegen die drei Herren.

Erlauben Sie mir," sagte Adelheid,Sie mit meiner lieben Freundin, Fräulein von Schmargen­dorf, bekannt zu machen. Hauptmann von Czako, Ministerialassessor von Nex. . . Meinen Neffen, liebe Schmargendorf, kennen Sie ja."

Adelheid, als sie so vorgestellt hatte, zog ihre kleine Uhr aus dem Gürtel hervor und sagte:Wir haben noch zehn Minuten. Wenn es Ihnen recht ist, bleiben wir noch in Gottes freier Natur. Walde­mar, führe meine liebe Freundin, oder lieber Sie, Herr Hanptmann, Fräulein von Schmargendorf wird ohnehin Ihre Tischdame sein."

Das Fräulein von Schmargendorf war klein und rundlich, einige vierzig Jahre alt, von kurzem Hals und wenig Taille. Von den sieben Schön­heiten, über die jede Evastochter Verfügung haben soll, hatte sie, soweit sich ihrKredit" feststellen ließ, nur die Büste. Sie war sich dessen denn auch bewußt und trug immer dunkle Tnchkleider, mit einein Sammetbesatz oberhalb der Taille. Dieser Besatz bestand aus drei Dreiecken, deren Spitze nach unten lies. Sie war immer fidel, zunächst aus glücklicher Naturanlage, dann aber auch, weil sie mal gehört hatte: Fidelität erhalte jung. Ihr lag daran, jung zu sein, obwohl sie keinen rechten Nutzen mehr daraus ziehen konnte. Benachbarte Adlige gab es nicht, der Pastor war natürlich verheiratet und Fix auch. Und weiter nach unten ging es nicht.

Adelheid und Rex waren meist weit voraus, so daß man sich immer erst an der Glaskugel traf, wenn das voranschreitende Paar schon wieder auf dem Rückwege war. Czako grüßte dann jedesmal militärisch zur Domina hinüber.

Diese selbst war in einem Gespräch mit Nex fest engagiert und verhandelte mit ihm über ein bedroh­liches Ueberhandnehmen des Sektiererwesens. Nex fühlte sich davon getroffen, da er selbst ans dem Punkte stand, Jrvingianer zu werden; er war aber Lebemann genug, um sich schnell zurecht zu finden und vor allem auf jede nachhaltige Bekämpfung der von Adelheid geäußerten Ansichten zu verzichten. Er lenkte geschickt in das Gebiet des allgemeinen Un­glaubens ein, dabei nach den von der Domina ge- thanen Aeußerungen einer vollen Zustimmung be­gegnend. Ja, die Domina ging weiter, und sich abwechselnd auf die Apokalypse und dann wieder auf Fix bernsend, betonte sie, daß wir am Anfang vom Ende stünden. Fix gehe freilich wohl etwas zu weit, wenn er eigentlich keinem Tage mehr so recht traue. Das seien nutzlose Beunruhigungen, weshalb sie denn auch in ihn gedrungen sei, entweder Abstand davon zu nehmen oder wenigstens alles nochmals zu prüfen.Kein Zweifel," so schloß sie,Fix ist für Rechnungssachen entschieden talentiert, aber ich habe ihm trotzdem sagen müssen, daß zwischen Rech­nungen und Rechnungen doch immer noch ein Unter­schied sei."

Czako hatte dem Fräulein von Schmargendorf den Arm gereicht; Woldemar, weil der Mittelgang zu schmal war, folgte wenige Schritte hinter dem Paar und trat nur immer da, wo der Weg sich erweiterte, vorübergehend an ihre Seite.

Wie glücklich ich bin, Herr Hauptmann," sagte die Schmargendorf,Ihre Partnerin zu sein, jetzt schon hier und dann später bei Tisch."

Czako verneigte sich.

Und merkwürdig," fuhr sie fort,daß gerade das Regiment Alexander immer so vergnügte Herren hat; einen Namensvetter von Ihnen, oder vielleicht war es auch Ihr älterer Herr Bruder, den Hab' ich noch von einer Einquartierung in der Priegnitz her ganz deutlich in Erinnerung, trotzdem es schon an die zwanzig Jahre ist oder mehr. Denn ich war damals noch blutjung und tanzte mit Ihrem Herrn Vetter einen richtigen Radowa, der um jene Zeit noch in Mode war, aber schon nicht mehr so recht. Und ich Hab' auch noch den Namenszng und einen kleinen Vers von ihm in meinem Album: ,Jegor von Baczko, Sekondelientenant im Regiment Alexander? Ja, Herr von Baczko, so kommt man wieder zu­sammen. Oder doch wenigstens mit einem Herrn desselben Namens."

Czako schwieg und nickte nur, weil er Richtig­stellungen überhaupt nicht liebte; Woldemar aber, der jedes Wort gehört und in Bezug auf solche Dinge kleinlicher dachte, wollte durchaus Remedur schaffen und bat, das Fräulein daraus aufmerksam machen zu dürfen, daß der Herr, der den Vorzug habe, sie zu führen, nicht ein Herr von Baczko, sondern ein Herr von Czako sei.

Die kleine Rundliche geriet in eine momentane Verlegenheit, Czako selbst aber kam ihr mit großer Courtoisie zu Hilfe.

Lieber Stechlin," begann er,ich beschwöre Sie um sechsundsechzig Schock sächsische Schuhzwecken, kommen Sie doch nicht mit solchen Kleinigkeiten, die man jetzt, glaub' ich, Velleitäten nennt. Wenigstens habe ich das Wort immer so übersetzt. Czako, Baczko, Baczko, Czako, wie kann man davon so viel Aufhebens machen. Name, wie Sie wissen, ist Schall und Rauch, siehe Goethe, und Sie werden sich doch nicht in Widerspruch mit dem bringen wollen. Dazu reicht es denn doch am Ende nicht aus."

Hihi."

Außerdem, ein Mann wie Sie, der es trotz seines Liberalismus fertig bringt, immer seinen alten Adel bis wenigstens dritter Krenzzug zu betonen, ein Mann wie Sie sollte mir doch diese kleine Ver­wechslung ehrlich gönnen. Denn dieser mir in den Schoß gefallene ,BaczkM . . . Gott sei Dank, daß auch unsereinem noch was in den Schoß fallen kann..."

Hihi."

Denn dieser mir in den Schoß gefallene Baczko ist doch einfach eine Rang- und Standeserhöhung, ein richtiges Avancement. Die Baczkos reichen bis Huß oder Ziska, und wenn es vielleicht Ungarn sind, bis aus die Hunyadis zurück, während der erste wirkliche Czako noch keine zweihundert