Heft 
(1897) 07
Seite
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Stechlin.

einfach ein Schrecknis ist. Solche alten Jungfern mit einer Granatbrosche haben immer eine merk­würdig hohe Meinung von ihrer Familie. Freilich auch andre, die klüger fein sollten. Unsre Leute ge­fallen sich überhaupt in der Idee, sie hingen mit dem Fortbestände der göttlichen Weltordnung aufs engste zusammen. In Wahrheit liegt es so, daß wir sämtlich abkommen können. Ohne die CZakos geht es nun schon gewiß, wofür sozusagen historisch-sym­bolisch der Beweis erbracht ist."

Und die Rex?"

Vor diesem Namen mach' ich Halt."

Wer's Ihnen glaubt. Aber lassen wir die Rex und lassen wir die CZakos, und bleiben wir bei den Stechlins, will sagen bei unserm Freunde Woldemar. Die Tante will ihn verheiraten, darin haben Sie recht."

Und ich habe wohl auch recht, wenn ich das eine heikle Lage nenne. Denn ich glaube, daß er sich seine Freiheit wahren will und mit Bewußtsein auf den Cölibataire lossteuert."

Ein Glauben, in dem Sie sich, lieber Czako, wie jedesmal, wenn Sie zu glauben anfangen, in einem großen Irrtum befinden."

Das kann nicht sein."

Es kann nicht bloß sein, es ist. Und ich wundre mich nur, daß gerade Sie, der Sie doch sonst das Gras wachsen hören und allen Gesellschasts- klatsch kennen wie kaum ein zweiter, daß gerade Sie von dem allem kein Sterbenswörtchen vernommen haben sollen. Sie verkehren doch auch bei den

Rylanders, ja, ich glaube. Sie da kämpfend am Büffelt im Laufe des letzten Winters gesehn zu haben."

Gewiß."

Und da waren an jenem Abend auch die Berchtes­gadens, Baron und Frau, und in lebhaftestem Ge­spräche mit dem bayrischen Baron ein distinguierter alter Herr und Zwei Damen. Und diese drei, das waren die Barbys."

Die Barbys," wiederholte Czako,Botschafts­rat oder dergleichen. Ja, ich habe davon gehört; aber ich kann mich nicht erinnern, ihn und die Damen gesehen zu haben. Und sicherlich nicht an jenem Abend, wo von Vorstellen keine Rede war, die reine Völker­schlacht. Aber Sie wollten mir, glaube ich, von eben diesen Barbys erzählen."

Ja, das wollt' ich. Ich wollte Sie nämlich wissen lassen, daß Ihr Celibataire seit Ausgang vorigen Winters in eben diesem Hause verkehrt."

Er wird Wohl in vielen Häusern verkehren."

Möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich, da das eine Haus ihn ganz in Anspruch nimmt."

Nun gut, so lassen wir ihn bei den Barbys. Aber was bedeutet das?"

Das bedeutet, daß in einem solchen Hause ver­kehren und sich mit einer Tochter verloben, so Ziemlich ein und dasselbe ist. Bloß eine Frage der Zeit. Und die Tante wird sich damit aussöhnen müssen, auch wenn sie, wie sehr wahrscheinlich, über ihr .Herzblatt bereits anders verfügt haben sollte. Solche Tinge begleichen sich schließlich immer. Aber unser

Woldemar wird sich vor andre Schwierigkeiten ge­stellt sehen."

Und die wären? Ist er nicht vornehm genug? Oder mankiert vielleicht Gegenliebe?"

Nein, Czako, von pnankierender Gegenliebe', wie Sie sich auszudrücken belieben, kann keine Rede sein. Die Schwierigkeiten liegen in was anderm. Es sind da nämlich, wie ich mir schon anzudeuten erlaubte, zwei Comtessen im Hause. Nun, die jüngere wird es wohl werden, schon weil sie eben die jüngere ist. Aber so ganz sicher ist es doch keineswegs. Denn auch die ältere, wiewohl schon über dreißig, ist sehr reizend und zum Ueberfluß auch noch Witwe das heißt eigentlich nicht Witwe, sondern' eine gleich nach der Ehe geschiedene Frau. Sie war nur ein halbes Jahr verheiratet, oder vielleicht auch nicht verheiratet."

Verheiratet, oder vielleicht auch nicht verheiratet," wiederholte Czako, während er unwillkürlich sein Pferd anhielt.Aber Rex, das ist ja hochpikant. Und daß ich erst heute davon höre und durch Sie, der Sie sich doch eigentlich von solchen Dingen entsetzt abwenden müßten. Aber so seid ihr Konventikler. Schließlich ist all dergleichen doch euer eigentlichstes Feld. Und nun erzählen Sie weiter, ich bin neugierig wie ein Backfisch. Wer war denn nun eigentlich der unglücklich Glückliche?"

Sie meinen, wenn ich Sie recht verstehe, wer es war, der diese ältere Comtesse heiratete. Nun, dieser glücklich Unglückliche oder umgekehrt war auch ein Graf, sogar ein italienischer Graf (vorausgesetzt, daß Sie dies als eine Steigerung ansehn), und hatte natürlich auch einen echt italieni­schen Namen: Conte Ghiberti, derselbe Name wie der des florentinischen Bildhauers, von dem die be­rühmten Thüren herrühren."

Welche Thüren?"

Nun, die berühmten Baptisteriumthüren in Florenz, von denen Michelangelo gesagt haben soll, ,sie wären wert, den Eingang zum Paradiese zu bilden'. Und diese Thüren heißen denn auch, ihrem großen Künstler zu Ehren, die Ghibertischen Thüren. Uebrigens eine Sache, von der ein Mann wie Sie was wissen müßte."

Ja, Rex, Sie haben gut reden von ,wissen müssen'. Sie sind aus einem großen Hause, haben mutmaßlich einen frommen Kandidaten als Lehrer gehabt und sind dann auf Reisen gegangen, wo man so seine Dinge wegkriegt. Aber ich! Ich bin aus Ostrowo."

Das ändert nichts."

Doch, doch, Rex. Italienische Kunst! Ich bitte Sie, wo soll dergleichen bei mir Herkommen? Was Hänschen nicht lernt, dabei bleibt es nun mal. Ich erinnere mich noch ganz deutlich einer Auktion in Ostrowo, bei der es war in einem kommerzien- rätlichen Hause schließlich ein roter Kasten zur Versteigerung kam, ein Kasten mit Doppelbildern und einem Operngucker dazu, der aber keiner war. Und all das kaufte sich meine Mutter. Und an diesem Stereoskopenkasten, ein Wort, das ich damals noch nicht kannte, habe ich meine italienische Kunst ge­lernt. Die ,Thüren' waren aber nicht dabei. Was