Heft 
(1897) 07
Seite
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Ueber Land und Weer.

nachlaufen wird, und er versperrt Besseren den Platz. Aber getrost: die Großen, auf die die Menschheit wartet, sind mit darunter.

Unterdessen ist die Mine fertig geworden; mit einem eisernen Stab und etwas aufgeschütte­tem Wasser haben die Arbeiter ein tiefes Loch in das Gestein gerammt.

Es wird ganz mit Pulver aufgefüllt und an der Oeff- nnng fest verstopft.

Bevor die Lunte entzündet wird, ruft der Minenleger vom Felsen herab mit einer Stimme, die bis in die fernen Thäler und Schluchten tragt:

Mine hoo!" worauf seine Ge­hilfen eilig das Weite suchen. In einem Nu ist der ganze Bruch von Menschen leer. Wir werden von dem Aufseher tief auf den Schienenweg zurückgedrängt, wo flache Felsennischen Deckung gewähren.

Nochmals ruft der Minenleger ein lautfchallendes HoBzumZeichen, daß die Lunte brennt, dann über­klettert er am langen Seile so rasch wie möglich den Felsenscheitel, hinter dein er sich verbirgt. Aufstei­gender Dnalm zeigt schon die Stelle, wo die Lunte raucht. Lautlose Stille tritt ein, es dauert eine Zeit­lang, bis die Lunte nach innen ge­brannt ist, worauf der Rauch sich ver­zieht. Noch ein paar Sekunden, und nun ein heftiger Schlag, dessen Echo von Thal zu Thal fort- hallk, man sieht Felsstücke in die

Lust geschleudert und sollte nach der Erschütterung glauben, ; die ganze Felsenecke fei eiugestürzt. Doch erweist sich bei der Besichtigung die Wirkung der Mine als ziemlich geringfügig.

Nun hat uns der Berg gastfreundlich mit all seinen : Wundern bekannt gemacht, und wir können zufrieden gehen. ^

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Unvollendete Statue des heiligen Matthäus von Michelangelo

Es versteht sich von selbst, daß wir diesmal den Tunnel mit einer Laterne passieren, und so stößt uns dort kein weiteres Abenteuer zu.

Um die steile Bergwand des Giardino zu vermeiden,

folgen wir auf dem Rückweg der schönen Fahrstraße, die von den Ochsen­fuhren lind der Marmifera benutzt wird. Nach wenig Schritten ein über­raschtes Halt: die weite Bergwelt, die zu unfern Füßen liegt, ist ganz unlen am fernen Hori­zont durch eineil blauen Streifen ab­gegrenzt; mit dem Fernglas lasseil sich weiße, bewegliche Punkte darauf er­kennen. Es ist das Meer mit seinen Segeln, das weite, blaue Meer, das uns erwartet! Tort hinunter geht unser Weg, und es ist, als wüchsen uns Flügel bei dem Anblick. Aus der Tiefe läuten jetzt die Abeudglocken; ein friedliches Thal mit blühenden Kirschbäumen, das ebensogut in Deutschland liegeil könnte, ladet zu kür­zerem Abstieg ein.

Doch der Berg will lins nicht ent­lassen, bevor er uns noch ein letztes Wunder gezeigt hat. Aus halber Höhe der steilen Halde liegt eine kleine graue Ortschaft hin- gednckr; Terrinen heißt sie. Alis ab­schüssigen Gasseil, die mit spitzigeil Steineil gepflastert sind, rutscht und stolpert mail da in eine verzauberte Welt hinein. Tie müden Sinne sind kaum mehr fähig, neue Eindrücke aui- zunehmen, aber die

lleberraschung rüttelt sie noch einmal wach. Wir sind zwischen zwei enge Reihen kleiner, massiver -Lteinhäuser von der erstaunlichsten Architektur geraten; sind sie gemauert oder aus dem lebendigen Gestein gehauen? Es läßt sich nicht erkennen, so grau und bröckelig sind Thorbogen,