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Humoristische Erzählung
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/^^/s war zur Zeit der faltenlosen Prinzeßkleider als Musikdirektor X. in Breslau, nach Ab- laus einer Familientraner, während des Mai und Juni allwöchentlich einmal seine Bekannten bei sich sah. Man konnte erscheinen, wann und wie man wollte, man musizierte, plauderte und aß, wenn man von den fliegenden Schüsseln, die fortwährend hernmgereicht wurden, etwas erwischte.
Ein bunter Kreis! Oper, Universität und Regierung waren stark vertreten. Im bunten Durcheinander blitzten sogar Uniformen. Auch Menschen, die nur von ihren Renten lebten, wie Herr Erich Bolle zum Beispiel, und junge Künstlerinnen, die am Beginn ihrer Laufbahn standen, wie zum Beispiel ich, fehlten nicht. Geburtsschein und Erziehungs- Visum brauchte niemand vorzuzeigen. Und das war für viele sehr günstig. Dort war es, wo ich den Tenoristen Mecerino glänzen sah.
Man weiß ja, wie ein Tenor, besonders einer vom Theater, verzogen, verwöhnt und angehimmelt wird, wenn er ein modulationssähiges hohes 6, ein Paar modnlationsfähiger Augen und eine tüchtige Portion weltschmerzlicher Blasiertheit, die natürlich nicht echt sein darf, anfweisen kann.
Mecerino wurde verhimmelt von Mädchen und Frauen, Müttern und jugendlich fühlenden Großmüttern. Er nahm's hin wie einen Tribut, für den er sich erkenntlich zeigte, indem er aß und trank und hin und wieder ein möglichst kurzes Lied hauchte. Eitel war er, maßlos eitel; eitel auf seine äußere Erscheinung und ans den „Zweiten Menschen", den er anlegte, wenn er gute Gesellschaft witterte, den er aber zu schade für einen von seinesgleichen fand. Wehe, wenn man ihm nicht das Weihrauchbecken persönlicher Huldigung kühn bis gegen die Nase schwang! Dreimal wehe dem, der seine Größe nicht anerkannte oder gar seinem Dünkel ins Gesicht schlug!
Da gab's nur einen Menschen, der mit ihm je nach Laune umspringen durste, und das war merkwürdigerweise die Spatz. Spätzchen war nicht hübsch, aber sie war Klaviervirtuosin und sein ständiger Accompagnenr. Spätzchen stammte, wie er, aus jenen Regionen, in denen Erziehung und gesellschaft-
Ueber Land und Meer. Jll. Okt.-Hefte. XIV. 7.
liche Form Zu den Geistern des Jenseits rechnen. Man behilft sich mit unverfrorener Natürlichkeit; damit kommt man auch durchs Leben.
Es war aus dem letzten der Routs im Hause des Musikdirektors, daß sich Mecerino sofort nach der Begrüßung der Wirte zu mir Bahn brach. Ich traute meinen Augen nicht. Sonst beanspruchte er von rühmlosen Künstlerinnen, daß sie wie betende Türken andachtsvoll von ferne vor ihm niedersanken,
— und heut kam er zu mir! Die Spatz schmunzelte hinter ihm drein wie hinter einem lebendig dahtn- wandelnden guten Witz . . . Was bedeutete das?
Schlurfenden Schrittes, mit erhobener Nase, gesenkten Augenlidern, aufwärts gedrehtem Schnurrbart, das Monocle im Auge, Hände in den Hosentaschen — also vollkommen im Futteral seines zweiten Menschen, den er dem Vorbilde eines Kavalleriereservelieutenants entlehnt haben mußte, — so steuerte er auf mich zu. Von seiner weißen Piqueweste nieder hing eine Berlocke wertvoller Steine
— wie man sagte, Erinnerungszeichen enragierter Verehrerinnen.
Er blieb vor mir stehen und fixierte mich eine Weile stumm.
Die Spatz würde ihn unbedingt keck angeguckt und endlich gesagt haben: Was bedeutet denn Ihr geistreicher Gesichtsausdruck? Aber zu diesem Tone wagte ich nicht herabzusteigen. Ich hielt also erwartungsvoll seinem Blick eine Weile stand und lächelte, da ich nichts zu sagen wußte.
Er veränderte keine Miene. Endlich machte er eine Bewegung mit dem Munde, als wenn ihm ein Hustenbonbon auf der Zunge Zerginge, und sagte wie vom Olymp hernieder:
„Na, Fräulein, hätten Sie Wohl Lust?"
„Lust? Wozu?"
„Wozu wohl! Zu einem Konzert natürlich." Er seufzte ungeduldig.
Zu einem Konzert! Ich traute meinen Ohren nicht. Mecerino ließ sich herab, mich zu einem Konzert aufzufordern! Ich konnte es kaum glauben. Impulsiv entfuhr es mir:
„Mit Ihnen, Mecerino?"
„Natürlich mit mir. Denken Sie, ich bin Impresario für andre?"
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