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Hine Küllstlerfahrt nach Kalb-Asien.
Damit Sie wissen, wie einem Zu Mut ist, wenn man ! liebt, unsinnig liebt und betrogen wird, schmählich betrogen!"
Sie ließ mich fahren, schlug ihre Hände vors ! Gesicht und bekam einen Weinkrampf.
V.
Mit dem ominösen Zettel in der Hand erwartete die Spatz Mecerino im Gastzimmer, wo der gedeckte ^ Tisch seinerseits aus uns wartete. >
Mecerino kam, harmlos und nnschuldsvoll; der reine Tugendengel. Er duftete nach allen Wohlgerüchen Arabiens, was in der fliegendurchschwärmten ^ Gastzimmeratmosphäre recht wohlthuend berührte. ^
Die Spatz hatte sich in Angriffspositur gesetzt.
„Hier!"
Der Zettel flatterte vor seiner Nase.
Betroffen nahm er ihn — und stutzte.
„Ihr Sündenregister! — Erröten Sie nur!" ^ schleuderte sie ihm ins Gesicht und starrte ihn an. Wäre ihr Auge ein Brennglas gewesen, so wäre er unweigerlich in Flammen aufgegangen. ^
„Polnisch versteh' ich nicht," sagte er trocken und reichte ihr das eorpus äelieti zurück.
„Nicht? — Wer's glaubt! — Wozu wären Sie , denn sechs Wochen in Warschau gewesen?"
„Zum Gastieren an der Oper, kleine Unschuld.". Er faßte sie ans Kinn.
„Bitte sehr!" lehnte sie spitz diese Vertraulichkeit ab. „Sie haben mir doch selber gesagt, daß Sie etwas Polnisch können..."
Er lachte halb verneinend. !
„Natürlich, jetzt wollen Sie's angesichts dieses Liebesbriefes leugnen. Haben Sie mir nicht gesagt, ^ Mtsell! hieße komm — tzukieriUa hieße Konditorei - und inoija lloekaalla hieße meine Geliebte?" !
„Jawohl, moffa koebaickca," versetzte er in zärtlichem Tone, „das habe ich Ihnen gesagt. Und das ist all mein Polnisch."
„Sehn Sie wohl! Der Zettel wird Wohl so ein ^ Streich sein." !
Indem kam Cohn mit der Suppe. Ein halb- ^ erwachsener Knabe mit einer Servierte im Arm, mit ! der er scheinbar schon acht Tage lang feuchte Teller ! abgewischt hatte, folgte ihm.
Wie ein Wirbelwind flog Spätzchen auf Isidor zu.
„Können Sie Polnisch?"
Jetzt flatterte der Sündenbrief auch unter seiner Nase.
„Was werde ich nicht Polnisch können?" versetzte er und stellte die Suppenterrine, aus der ein starker Duft von Gans und würzigen Küchenpflanzen stieg, vorsichtig auf den runden Tisch. „Hab' ich doch mit 'm alten Goldsteiit nur polnisch gesprochen. Der hat gar nicht Deutsch gekonnt. ,Isidor', hat er oft gesagt, ,bin ich geboren in Russisch-Polen, werd' ich i sprechen meine Muttersprache bis an mein seliges j Ende. Die Salche mag sprechen deutsch und mag ! die Kinder erziehn ans deutsch; sie sollen weiter- ^ kommen im Leben . . .' Nu, wie haißt — er ist ^ fünf Jahre tot, und die Goldstein spricht deutsch und ! hat vergessen, daß sie vor dreißig Jahren nur mit !
,Polnisch' über die Grenze gekommen ist, und die Myrjam spricht deutsch und hat 'n gebildetes Fräulein für die Kinder — ach so, Sie wollen wissen, was das haißt?"
Er hob den Zettel, den er während seines Redeflusses achtlos genommen, mit je zwei Fingern, als sei er fettig, vor die Augen.
„Gott, du Gerechter, wo haben Sie das her? — Das ist ja die Quittung über die Dschim-Dschims für den Herrn Bolle, die ich Hab' vor sechs Jahren dem alten Goldstein ausgeschrieben I Wo haben Sie das her?"
„Bolle läßt übrigens grüßen," schaltete Mecerino ein.
Spätzchen schämte sich, ich sah's ihr an. Sie würde gewiß geflunkert haben, wenn ihr irgend eine passende Ansflucht eingefallen wäre. Aber nach dem Verhör mit Mecerino konnte ihr wirklich nichts Passenderes als die Wahrheit einfallen.
„Um die Stiele der Rosen war's gewickelt," gab sie etwas kleinlaut Zu.
„Werden sie gewesen sein naß, hat die Gold- ftein gefürchtet für Glasphyras Handschuh' — hat sie genommen aus der Schublade ein altes Stück Papier — war's die Quittung über die Dschim- Dschims." Er hielt Spätzchen den Zettel wieder hin. „Sie ist übrigens verjährt."
Spätzchen ballte das Papier Zur Kugel und feuerte es auf Mecerino.
„Für Ihre Frechheit!" lachte sie.
Er hob den Ball auf und revanchierte sich. Mehrere Male flog der Ball hin und zurück.
„Daß er nur nicht in die Suppe fällt," sagte Cohn ängstlich.
Auf diese indirekte Jnvite hin setzten wir uns mit Isidor Cohn zu Tisch.
lieber den ersten Löffeln Suppe waltete ein fast heiliges Schweigen mit Fliegengesumme, das endlich Cohn unterbrach.
„Meine Damen, wie gesagt, Sie sind nach dem Konzert alle eingeladen Zur Frau Goldstein. Sie giebt das Fest nämlich nur zu Ehren vom großen Sänger Mecerino." Er führte dreimal den überfließenden Löffel rasch Zum Munde. „Meine Damen, finden Sie nicht auch, daß der Mecerino ihr schuldig ist eine Staatsvisite? Sie ist die Erste in Rempen! — Und 's ist 'n feines Haus, auf meine Ehre," er schlug sich auf die Brust. „Austern und Sekt, ich versichere es Ihnen. Der Herr Bolle — bitte, Willibald, grüßen Sie 'n schön wieder — der Herr Bolle hat doch auch verkehrt in dem Hause. Und was der Herr Bolle ist — alle Achtung! — Immer bares Geld! Immer bar bezahlt. Ein feiner Mann, der Herr Bolle! — Der Herr Bolle würde gewiß auch zureden zur Visite. Ach, was hatte der für ein Herz! Ein goldenes Herz hatte der Bolle."
„So halten Sie doch endlich 's Maul!" sagte Mecerino nervös und warf den Löffel nachlässig in den leeren Suppenteller, während er selbst sich gegen die Stuhllehne warf und sein zähes Weißbrot in Zwei Stücke riß.
„Es sei ferne von mir, Sie zu belästigen,"