Heft 
(1897) 07
Seite
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Ueöer Lau

Glasphyra. Er ist bei ihr gestanden und hat zu ihr gesprochen. Und sie hat auch zu ihm gesprochen."

Sie ist ein geduldiges Lamm, das der rechte Herr entreißt dem Rachen seines Peinigers und des Wolses," unterbrach ihn die Alte, und ihr Kopf mit den spärlichen grauen Haaren wackelte.Möge seine Hand stark bleiben und sein Sinn gerecht, denn sie ist wie die Saat des Frühlings. Und ihre Sonne ^ soll nicht untergehen."

Sie nahm bei diesen Worten eine ehrwürdige Haltung an. Die arbeitenden Hände sanken für ! einige Minuten in den Schoß. Mit einem Ans- - druck, der weiche innere Regungen widerspiegelte, sah sie eine Weile sinnend vor sich hin. . .

Aron," sagte sie plötzlich und richtete sich momentan aus ihrer gebeugten Stellung auf,die ! Trennung greift mir ans Herz. Ist sie nicht ! gewesen freundlich zu mir, der alten Frau? Sie ! ist gekommen, nur zu erzählen, wenn ich müde und ! krank war. Sie hat mir gegeben zu essen und zu trinken, wenn ich schwach war. Sie hat mich gestützt j und mir geholfen mit liebreichen sanften Händen. ^ Sie hat mein Herz oft gelabt durch ihr Lächeln. ! Oftmals werd' ich noch gedenken ihrer jungen Güte. ! Nimm das Weiche Tuch, das mich gewärmt hat im ! Winter bei großer Kälte, es ist wie neu und ^ gieb's ihr zum Dank, wenn fie dahinzieht. Und sage ! ihr meine Zuversicht: Wahrlich, der Gott Israels ^ wird über ihr sein, denn der Born ihres Herzens > ist lebendig. Wer wird sie fahrend" !

Ich werde sie fahren." !

Wer holt ihre Sachen?" ^

Was wird fie haben für Sachen? Ein ! Bündel und den sprechenden Vogel. Der Jere- ^ inias holt's, wenn die Goldstein sitzt im Konzert, ! und wenn der Levison verkauft seine Erfrischungen" !

Schmutz auf seinen Bart!" stieß die Alte aus ^ und spie in den Sand. !

In diesen: Moment erschien die Spatz in der Hofthür. Ich sah gerade auf ihren braunen Kraus- ^ köpf nieder. Wahrscheinlich hatte sie noch ein kleines ! Scharmützel mit Mecerino unterwegs ausgesuchten. !

Ist das der Galafiaker, in dem Herr Mecerino ^ gefahren ist?" rief sie und wies auf die alters­schwache Halbchaise.

Nu gewiß," versetzte Aron verbindlich.

Liegen etwa noch Rosen darin?"

Ach, die von der Glasphyra? Ja."

Ganz Nempen wußte das bereits. Ich hatte das Gefühl, als könne diese Glasphyra sich nicht ! bewegen, ohne daß ganz Rempen darüber Buch führte. !

Ich will sie haben." !

Der junge Mensch stieg auf den Tritt, langte ^ nach dem ponceanfarbenen Häufchen und reichte es ! ihr.Sie find schon welk; aber im Wasser" ;

Au!" stieß sie aus, als sie hastig Zugriff.Da ! steckt irgendwo eine infame Nadel!" !

Jener schien erschrocken und wollte sich überzeugen, j Aber fie machte sich schnurstracks davon. Fast rannte ^ sie die Urahne über den Haufen. ^

Die Alte machte eine Bewegung wie eine Schlange, , die Feinde wittert. !

d und Wecr.

Die fährt ja daher wie 'n böses Unwetter," zischte sie der harmlosen Spatz nach, und alles Ehr­würdige fiel mit einem Male von ihr ab.

Dann sank sie wieder Zusammen und schälte weiter an ihren Kartoffeln.

Ich schloß das Fenster.

Triumphierend stürmte die Spatz ins Zimmer.

Sehen Sie, da Hab' ich ihn!"

Sie schüttelte den Strauß wie eine Aegis.

Die Blumen hingen matt und welk, stumme Dulder dieser leidenschaftlichen Behandlung. Von den erschlafften Blättern sank der Staub der Land­straße. Wie ein Hauch ersterbender Sehnsucht ging's von ihnen aus.

Und sehen Sie nur, Hagemännchen, solche In­famie! Hier, ein Streifen Papier um die Stiele gewickelt! Die Nadel stach mich."

Vorsichtig rollte sie das zerreißbare Band ab.

So macht man Liebeserklärungen," murmelte sie.Das kennt man. Aber das verbitt' ich mir! Na, Hab' ich recht? Sehen Sie, hier auf der inwendigen Seite die kleine Schrift? Kaum zu lesen!"

Sie glättete das längliche Stück Papier und verzehrte die Inschrift mit den Augen.

Ich stand erwartungsvoll.

Nun?!" fragte ich endlich.

Enttäuscht hielt sie mir den Zettel hin. Ich nahm ihn.

Polnische Schrift.

Ich verzog amüsiert den Mund.

Sie ergrimmte.

Was Sie auch immer zu lachen haben, Hage­männchen! Ist das freundschaftlich?"

Aber so lassen Sie Mecerino doch thnn und treiben, was er will," versetzte ich mit gut gespielter Harmlosigkeit.Eigentlich geht Sie doch Mecerino mit seinem Liebeskram gar nichts an."

Sie war einen Moment wie betäubt durch diese Erwiderung. Dann brach's wie Flammen auf ihrem Antlitz aus. Sie fuhr auf mich zu und schlug beide Hände auf meine Schultern. Wie ein bissiges Hündchen zerrte sie mich her und hin.

Was sagen Sie? Was sagen Sie? Er­geht mich nichts an? Nichts an?" Ihre Blicke funkelten.Ob er mich nichts angeht! Ob! Ich mag ihn leiden, sag' ich Ihnen ich Hab' ihn lieb! Fressen könnt' ich ihn, vor Liebe fressen! Und nun sagen Sie noch einmal, sagen Sie noch einmal, er geht mich nichts an!"

Sie bohrte mir ihren funkelnden Blick ins Auge, daß mir wurde ich weiß selber nicht wie.

Meine Antwort dauerte ihr viel zu lange. Sie schüttelte mich, mich, die ich sie um Kopfeslänge überragte und mir in diesem Moment vorkam wie der Riese Goliath gegenüber dem zierlichen David, und ihre Lippen zitterten.

Sagen Sie noch einmal, daß er mich nichts angeht und ich wünsche Ihnen, daß Sie nie in Ihrem Leben einen Mann bekommen! Und salls Sie doch einen bekommen, wünsche ich, daß er tausend Lieb­schaften anzettelt, damit Sie nie zur Ruhe kommen!