169
Hine Künjllerfaljrt nach Kalb-Asien.
Sulcz nickte. Mir erschien es sehr wahrscheinlich, daß er weniger Cohns Bestellung ansrichten, als einen Mischmasch des Zwiegesprächs mit Mecerino von sich geben würde.
Langsam, wie er gekommen, fuhr er dahin.
Jetzt stürzte die Spatz aus Mecerino los.
„Sie sind erkannt!" schleuderte sie ihm mit so furchtbarer Ueberzeugung ins Gesicht, daß Mecerino, selbst wenn er der reinste Engel unter Gottes Firmament gewesen wäre, sich eines ahnungsvollen Schuldgefühls für einen Augenblick nicht hätte erwehren können. Der Schreck der Ueberraschung allein schon ließ ihn erröten.
„Ich — wieso?" stammelte er.
„Seit wann kennen Sie die — die —" sie mußte sich einen Moment besinnen. Plötzlich schoß ihr der Name durch die Erinnerung. „Die Glasphyra!"
„Wen? Was? — Kenn' ich nicht."
„Ausrede! — Wo haben Sie die Rosen?"
„Sie sind ja so in Rage, Spätzchen!"
„Wo Sie die Rosen haben, frag' ich."
„Wollen Sie dran riechen?"
„Nun?" — Ein Detektiv kann sich einer solchen Bohrkraft des Auges nicht rühmen, wie sie bei diesem „Nun" die Spatz entwickelte.
„Ich habe sie —"
„Versteckt, natürlich!"
„Im Wagen vergessen," sagte er im Tone des Bedauerns.
„Vergessen? — haha. So etwas vergißt man nicht. Soll ich Ihnen zeigen, wo Sie sie haben? — Hier auf dein Herzen."
Damit faßte sie fein Jackett mit je zwei Fingern und lüftete es so, daß man den vollen Anblick seiner weißen Piquoweste samt Chemisett und Berlocke genoß. !
„Kleiner Drache," flüsterte er ihr mit plötzlicher innerer Erleuchtung ins Ohr, „Sie sind wohl gar ' eifersüchtig?" !
Schmollend ließ sie sein Jackett fahren, drehte ! sich um und eilte mir nach auf das uns angewiesene ^ Zimmer. !
Dasselbe war etwas niedrig, etwas heiß und ! etwas dunkel; aber es war da ein Sofa, ein Sessel, zwei reinbezogene Betten und alles, was man sonst > zu einem Nachtquartier nicht gern entbehrt. Auch ^ 'unsre Koffer begrüßten uns schon vertraulich. k
Die Spatz riß ungeduldig ihren Kofferschlüssel ^ aus dem Reisetäschchen und machte sich ungesäumt ^ ans Auspacken. Unter zornigem Philosophieren zerrte ! sie eine neue meergrüne Konzerttoilette, die in Rempen ^ zum erstenmal paradieren sollte, nebst dem unteren Zubehör und allen Verschönerungsutensilien aus dem > Koffer.
„Ich Hab' es wirklich nicht für möglich gehalten," ^ Pustete sie, indem sie unter Verrenkungen des rechten Armes den geschlossenen Rockbund an einem Bildernagel zu befestigen sich bemühte, „daß hier in dem ! abgelegenen Neste Tannhäusersche Venusse auftauchen ' würden, die den entzündlichen Mecerino mit Rosen l bombardieren!" !
„Es war doch nur eine," verbesserte ich be- ! sänftigend. ^
„Das ist gerade genug! — So eine Unverschämtheit! — Vor dem Konzert! Wenn's noch hinterher gewesen wäre! Bei der Abfahrt läßt man sich so was gefallen! — Glauben Sie etwa, daß er sie nicht kennt? So was! Kennen wird er sie schon, und wenn er's ableugnet, dann flunkert er eben. — Und, paffen Sie mal auf! Die Rosen will er sich trocknen und sie zwischen seine Lorbeerkränze stecken und sich damit brüsten. Aber daraus wird nichts, mein Freundchen, haha! Die Rosen nehme ich dir weg!"
„Aber Spätzchen!"
Auf einmal war sie ganz fidel und lachte herzlich. Ein merkwürdiges Geschöpf!
„Weeß Kneppcheu."
„Das dürfen Sie nicht!"
„Nicht dürfen? Nicht dürfen? haha! Das will ich sehen! Nicht dürfen! Ich sage Ihnen: Die Rosen nehme ich ihm weg!"
Der Unterrock hing; sie griff nach der Klinke. Ein lustiges Lächeln, voller Spott, und hinaus war sie.
Ich mußte sehen, was sie vorhatte, und öffnete das Fenster. Drückende Schwüle wechselte mit dem kühlen, muffigen Tapetendunft unsers Zimmers.
Unten in dem von Federvieh bevölkerten Hof stand die Equipage. Auf dem Rücksitz schimmerten pon- ceaufarben Mecerinos Rosen. Die Pferde waren bereits ausgespannt. Ein Cohnsches Familienmitglied — die Ähnlichkeit signalisierte ihn — nahm soeben die Guirlande ab und trug sie über den un- gepflasterten Hof in den Keller. Eine Menge Hühner folgte ihm bis ins Haus. Ein andrer Cohn, der mit einem nassen Lappen Speichen und Räder reinigte, — es war derselbe, der Mecerino kutschiert hatte — tauschte mit einer uralten Frau, die in der Nähe der ländlichen Plumpe mit zitternden Händen Kartoffeln schälte, in halblauter Stimme Bemerkungen aus. Sie trug auch Cohnsche, Gesichtszüge, die bei ihr wie aus Erz gemeißelt erschienen; ihre welke Haut war lederfarben; das spärliche Vorderhaar hing in dünnen Strähnchen über die Schläfen nieder. Sie hatte jene düster flackernden Augen, in denen geheimnisvoll der Funke der Leidenschaftlichkeit glimmt. So blickt unter schlaffen Lidern nur das Alter, das, ungebrochen durch ein mühseliges Leben, sein heißes Empfinden mit ins Grab nimmt.
Sie murmelte in gebeugter Haltung vor sich hin, aber ich verstand sie, denn ihre Stimme war klar und kräftig.
„Also sie war auf dein Bahnhof zu seinem Empfange?"
„Die Goldstein hat sie mit Rosen geschickt."
„Wie haißt geschickt?"
„Der Isidor hat ihr gesagt, daß der Mecerino gewöhnt wäre an großartige Ovationen. Und da hat sie sie geschickt."
„Wie hat er so listig dem Vogel den Käfig geöffnet; er kann mühelos entweichen."
„Stenscewicz war auch auf dem Bahnhof."
„Hast du mit ihm geredet?"
„Er hatte nur Augen und Ohren für die