Heft 
(1897) 07
Seite
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Ueber Land

der verhungerte Kuckuck," flüsterte sie mir inter­essiert zu.

In Warschau bei der Moskauer."

Wer ist die Moskauer?"

Wieder das namenlose Staunen des guten Alten.

Wie haißt? Sie haben noch nichts gehört von der Moskauer? Das war die Schwester der Goldstein. Die Goldstein wollte die Glasphhra mal los sein, da hat sie die Moskauer für drei Jahre übernommen und hat sie gehalten wie ihr eignes Kind und hat ihr lassen geben Musik und Tanz, und sie ist wiedergekommen als 'ne große Schön­heit."

Warum ist sie denn wiedergekommen, wenn's ihr dort so gut ging?"

Weil die Moskauer gestorben ist."

Hm. Und nun soll sie durch den Levison ver­sorgt werden?" Spätzchen schüttelte sich.Na ehe ich den gräßlichen alten Kerl nähme, eher spräng' ich ins Wasser."

Pscht!" Ich legte ihr rasch die Hand aus den Mund.

Der Alte schüttelte den Kopf:Sie will ihn auch nicht. Sie hat 'nen Künstler im Sinn."

Einen Künstler?" echote die Spatz und spitzte die Ohren.

In den sie in Warschau sich ganz vernarrt hat."

Ich fühlte plötzlich meine Hand umklammert.

Hagemännchen," stieß die Spatz tonlos aus und ward bleich,Hagemännchen, das ist's. Das ist der Anlaß dieser Konzertfahrt. Mecerino war vor zwei Jahren vier Wochen in Warschau.

Sehen Sie doch nicht gleich Gespenster!"

Hagemännchen ... ich dacht's gleich, daß hinter dieser vermaledeiten Expedition nach Rempen was steckt."

Da wär' er doch heut besser allein gefahren," versetzte ich einfach.

Können Sie das wissen? Das richtet sich doch ganz nach den Verhältnissen. Ost ist gerade so 'n öffentlicher Radau wie geschaffen als Deck­mantel für Liebesassairen."

Ich verstehe nicht"

Das allgemeine Interesse wird dadurch ab­gezogen; man kann sich unbeobachtet sprechen, sich vielleicht gar heimlich beiseite schleichen . .. Sie thun doch gerade, als ob Sie noch in den Windeln steckten."

Der Kutscher hatte unterdessen vor sich hin­gedröselt. Jetzt drehte er sich wieder um.

Die Glasphyra haben Sie doch wohl gesehen?" begann er.

Nein," versetzte Spätzchen glühend,wo war sie?"

Auf dem Bahnhof. Sie stand da unter den Leuten. Die im weißen Kleide."

Wie von der Tarantel gestochen, fuhr Spätzchen aus:Herr, du meine Güte der Zieraffe! Jetzt ist mir alles klar! Kutscher, hielt die nicht Rosen in der Hand?"

Sie hat sie dem Herrn Mecerino zngeworfen."

Wie geschlagen sank Spätzchen in das Wagenpolster

und Weer.

zurück:Ich sage Ihnen," stöhnte sie,diese Konzert­fahrt ist ein ausgeseimtes Bubenstück."

Haben Sie auch den Stenscewicz gesehen?"

Nein," sagte ich, obwohl mir Rempens Bürger­schaft gänzlich gleichgültig war, während die Spatz apathisch vor sich hinstarrte und nichts Zu hören schien.

Er war auch aus dem Bahnhof. Er stand hixrter ihr"

So so."

Der Wagen hielt vor dem Hotel.

IV.

Vor der Thür des Hotels standen Cohn und Mecerino in lebhaftem Gespräch.

Sie können gleich in diesem Wagen fahren," sagte Cohn, ehe er eilte, uns den Schlag zu öffnen.

Kein Bein," versetzte Mecerino, lehnte sich be­quem gegen die Hausthür, steckte die Hände in die Hosentaschen und pfiff den Himmel an, der ihn nicht zu blenden schien.

Ergebenster Diener, meine Damen, ergebenster Diener. Hopsa hopsa. So. Na, Willibald, lassen Sie sich geben ein gutes Wort. Fahren Sie zu ihr. Sie erwartet von Ihnen einen Besuch. Sie hat geborgt den Flügel gratis. Sie müssen sich bedanken..."

Ich werde den Teufel thnn!"

Sie werden erzürnen die Frau Gold stein, sag' ich. Sie erwartet, daß die Künstler kommen zuerst zu ihr."

Da hat sie Tinte getrunken! Ich hätte viel zu thun, wenn ich vor meinen Konzerten bei allen dunkeln Größen herumlanfen sollte."

Gott, du Gerechter, die Frau Goldstein 'ne dunkle Größe! Willibald, sind Sie bei Trost! Das hat der Kutscher gehört! Der sagt's ihr wieder."

Kann mir gleich sein," murmelte Mecerino. Ich habe der Goldstein nicht den Hof zu machen."

Cohn zuckte die Achseln und lächelte ein bedauer­liches, hilfloses Lächeln. Er that. mir leid. Nirgend wo anders als in Kleinstädten ist die Arroganz der Honoratioren so einflußreich und ausschlaggebend. Ich hatte das Gefühl, als ob Cohn sich vor Frau Goldstein seines der hier üblichen Form entbehren­den Freundes schäme.

Wenn Sie es für höflich erachten, Herr Cohn, so wollen wir Damen"

Macht sie sich nichts draus; macht sie sich nichts draus. Auf die Berühmtheit kommt's ihr an. 's soll heißen, der Mecerino, der berühmte Sänger, ist gewesen bei der Frau Goldstein und hat ihr gemacht seinen Besuch, weil sie hat geborgt den Flügel gratis."

Mecerino schien taub.

Cohn wandte sich an den Kutscher.

Du, Sulcz, sag der Goldstein, die Künstler wären angekommen. Heut abend würden sie sich einsinden sie hat Sie nämlich alle eingeladen," warf er uns zu.Aber eine Visite stünde Herrn Mecerino nicht an."

Nein lassen Sie ihr kurz und bündig sagen: ich wolle nicht. Basta."