Eine Künltlerfaljrt nach Kalü-Asicn.
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Eichenlaub, die kräftig duftete und dank allerlei Sommerblumen wie ein Geburtstagsfestkranz erschien.
„Nanu—u—u?" staunte Meceriuo, der jetzt im Vollbesitz feines zweiten Menschen war.
„Alles zu Ehren der Künstler," dienerte Cohn.
Wie ein König stieg Mecerino ein; Cohn folgte ihm wie sein Kammerdiener.
Plötzlich flog von der obersten Stufe der Bahnhofstreppe der Huldiguugsgruß einer zarten Hand nieder: die dunkeln Rosen lagen zu Mecerinos Füßen.
„Von der Glasphyra," hörte ich Cohn Zischeln.
Die Spatz stand mit einem Fuß bereits auf dein Trittbrett unsrer Equipage, war aber ganz hingenommen von dem Huldigungsvorgange drüben.
„Ei gar!" rief sie, und in ihre Wangen stieg lebhaftes Rot, wahrend ihre Augen wie gebannt an Mecerinos Bewegungen hingen. „Das sieht sich ja beinahe an, wie 'n Rendezvous. Hab' ich's nicht geahnt, daß hinter dieser Konzertfahrt was steckt?"
„Steigen Sie nur ein, Spätzchen. Die Leute beobachten uns schon!"
„Thue ich was Unrechtes, wenn ich dahin gucke? — Sehen Sie doch nur, wie er das Bouquet aufhebt! Wie er mit Gefühl daran riecht! Die ganze, wirklich die gauze Nase steckt er rein! Und nun ^ kehrt er sich gar nach dem Zieraffen um!"
Leidenschaftliche Eifersucht durchzitterte ihre ^ Stimme. ^
Ja, er sah sich nach dem schönen Mädchen um; ^ aber uichl mit vornehmer Höflichkeit, um mit einem ^ Blick voll Dank und Ergebenheit die Gabe zu einer unverdienten zu stempeln, nein, er sah sich mit der Selbstüberzeugtheit eines Ringkämpfers um, der das ^ Zeichen der Huld einstreicht wie ein Goldstück, für k das er sich ein pikantes Abendessen leisten kann.
Aber die sympathische Erscheinung war ver- ^ schwanden. >
Er hatte nachlässig den Strauß auf den Rücksitz ! geworfen und lachend einige Worte an Cohn ge- ! richtet, welche dieser mit geheimnisvoller Wichtigkeit beantwortete, indem er mehrmals mit dem Daumen ^ über die Achsel zurück nach der Bahnhofshalle wies. Ter Wagen fetzte sich in Bewegung.
Das Gesicht der Spatz hatte sich verdüstert. Wie Liebesärger lohte es ihr auf den Wangen.
„Er ist ein Don Juan!" stieß sie aus.
Was war doch der Landweg nach Rempen so weich und so mehlig. Wie in einem Schiffe schwankten wir aus den ausgedienten Sprungfedern durch den Sand, der, frei nach Freiligrath, als graue Säule hinter uns herwirbelte. Kam einmal ein Stein, so flogen wir in die Höhe, und Spätzchen rief zornig: „Au!" Sie war heut entsetzlich empfindlich. Ihre Klavierseffel waren doch auch nicht gerade Luftkissen.
Endlich Pflaster — endlich Rempen. Ein echtes, rechtes, kleines Landstädtchen. Die Straßen breit, die Häuser ein-, hie und da zweistöckig, ohne jede Eigenart. Allerwärts kleine Kramläden. Die vor den Thüren ausgehängten Kleidungsstücke waren mit Keltchen an den Thüren befestigt. Vermutlich war
ganz Rempen beim Mittagessen, denn die Straßen ^ waren wie ausgestorben.
Plötzlich schien der Kutscher aus der Apathie, iu
- der er während des ganzen Weges aus dem Bocke gesessen hatte, zu erwachen. Er regte sich, hob
! die Peitsche und zeigte damit nach einem Gebäude, ^ das, ein Patrizier unter seinen bescheidenen Nachbarn, mit seiner neuangestrichenen Front einen mäßig großen, schattenlosen Platz beherrschte.
^ „Da wohnt die Frau Goldstein." i Die Spatz Zeigte sofort Leben und Neugier und
' fing an Zu fragen.
! „Wo?"
„Da."
„In dem größeren Hanse?"
„Ja, da, — da — da sieht sie ja gerade aus dem Fenster."
Wir sahen eine recht behäbige Erscheinung iu einer bläulichen Taille in dem Fenster liegen, deren Gesichtszüge wir nicht deutlich Zu erkennen vermochten.
„Ich glaube, die ist imposant," flüsterte die Spatz.
„Sehen Sie alle die Lichter?" Die Peitsche
- senkte sich wieder wagrecht nach jenem Hause. „Sie will heut abend illuminieren.
„Illuminieren?"
„Herrn Mecerino zu Ehren. Der Cohn hat gesagt, er wär's so gewohnt auf Konzertreisen, hat er gesagt."
Tie Spatz stieß mich mit dem Ellbogen an.
„So 'ne Flaust! — Wenn Mecerino hier nur nicht überschnappt, Hagemänuchen."
Ich mußte lachen.
„Sie giebt auch 'n großes Fest, zu Ehren der Künstler. Der Levison ist extra dazu hergekommen."
„Der vom Roßmarkt?" forschte Spätzchen.
„Natürlich." — Er drehte sich jetzt beinahe die Halswirbel aus, um sich mit der Spatz zu unterhalten. „Sie kennen den Levison wohl persönlich?"
„Nur von Ansehen."
„Kennen Sie auch den Joel?"
„Nein."
„Der die Myrjam hat?"
„Nein."
„Gott der Gerechte, wie ist's möglich! Der Joel wohnt doch auch in Breslau! Das ganze Vermögen der Frau Goldstein — wie haißt — das ganze Geld von ganz Rempen steht bei 'Joel und Levison. Und den Joel kennen Sie nicht mal?"
Er murmelte noch weiter vor sich hin. Er schien es nicht fassen zu können, daß ein Mensch, der in Frau GoldsteinS Equipage fuhr, die Sippschaft der Goldstein nicht persönlich kannte.
„Jetzt will sie den Levison —"
„Wer?" unterbrach die Spatz sogleich.
„Die Goldstein. Sie will jetzt die Glasphyra mit dem Levison verheiraten."
„Ei gar! — Wer ist denn Glasphyra?"
„Ihre Nichte, die seit Zwei Jahren wieder bei ihr ist."
„Wo war sie dennstvorher? — Da ist nämlich