Heft 
(1897) 07
Seite
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Metier Land und Meer.

Juni, bei Siedehitze nach Rempen! 's ist nicht zu glauben! Wahrhaftig, Mecerino, zuerst Hab' ich ge­dacht, bei Ihnen rappelt's."

Mein Gott, im Winter kann man doch nicht nach Nempen fahren!" stieß er aus.

Warum muß es denn durchaus Rempen sein?"

Schockschwerenot es ist doch aber nun ein­mal Rempen! Und wenn Sie keine Lust hatten, dann hätten Sie's eher sagen müssen!"

Er rannte erregt im Zimmer herum.

Ei du meine Güte," gab sie trocken Zurück, natürlich komm' ich mit nach Rempen! Ich werde Sie doch nicht allein ins gelobte Land reisen lassen! Da kann man gar nicht wissen" Sie brach ab und schnurrte wieder in ihre Accompagnements- stellung zurück. Sie begann zu spielen. . . Das einschmeichelndeWarum" von Schumann war der Nachklang des kleinen Disputs.

Diese zwei waren ein personifiziertes Lustspiel für mich. Mochten sie sich? Blochten sie sich nicht? Liebten sie sich einseitig? Liebten sie sich wechselseitig? Oder waren all diese kleinen Neckereien und Schar­mützel nur der Ausfluß eines originellen Humors?

Ein kurioses Paar!

III.

Die Fahrt nach Rempen war heiß und lang­weilig.

Bolle hatte uns eingeschifft und uns Damen eine köstliche Bonbonniere mit aus den Weg gegeben.

Mecerino hatte schlecht geschlafen und saß uns gähnend gegenüber. Sprach er, so waren es nur wehmütige Stimmungsseuszer.

Trotzdem erreichten wir noch als leidlich zu­friedene Staatsbürger den von der Stadt abgelegenen Bahnhof Rempen.

Die Conpöthür wurde ausgerissen, und ein kleiner Mann mit einem Gesicht wie eine Zitrone, rötlichem Haar und rötlichem Vollbart bot uns in freudigem Lächeln das Willkomm von ganz Rempen. Es war Isidor Cohn.

Die Spatz fraß ihn förmlich mit einem Blick der Neugierde.

Ergebenster Diener, ergebenster Diener, meine Damen. Mein Name ist Cohn! Wenn Sie sich mir anvertrauen wollen! Es ist alles bereit für Sie. Sprungfedermatratzen haben Sie auch. Es ist alles aufs feinste! Bitte, Ihren Handkoffer, Fräulein, Ihren auch, Mecerino. Man kann auf dem Bahnhof nie genug Hände haben! Langsam, langsam, meine Damen! Ter Zug ist so galant, drei Minuten zu halten. Ich bin nämlich ein in­timer Freund vom Mecerino"

O, wie Mecerinos Nase in die Luft ging!

Wir haben uns eigentlich seit der Schule nie wiedergesehen," näselte er.

Das stimmt, das stimmt"

Ja, das stimmt. Intim ist also was anders. Wie ging denn der Billetverkauf?"

Alles gut, alles gut. Kein Stühlchen mehr frei"

Wagen hier?"

Ei natürlich, natürlich. Für Sie einen und für die Damen der von der Frau Goldstein. Die Frau Goldstein hat gesagt, was wäre so 'n großer Künstler wie Mecerino, der müßte fahren in einer Equipage ganz allein."

Mecerino reckte sich. Er war ganz einverstanden damit, allein zu fahren.

Hat sie den verhungerten Kuckuck noch bei sich?" sagte er weltmüde.

Wie haißt Kuckuck? Einen Papagei hat sie im Haus, aber keinen Kuckuck."

Die Menschen drängten und schoben um uns herum. Mecerinos Laune war noch immer nicht rosig. Daß Bolle bei dieser Exkursion fehlte, lag ihm schwer im Sinne.

Gehen Sie doch vorwärts," brummte er Cohn zu,daß wir endlich aus diesem Gedränge heraus- konunen."

Cohn drehte sich hastig nach ihm um.

Die Leute sind nur hier, um Sie zu sehen, Willibald. Hab' ich doch gemacht für Sie eine große Reklame. Hab' ich gesagt, seit Methusalem, Hab' ich gesagt, wäre so was von Stimme nicht da­gewesen."

Ich wußte noch nicht, daß Methusalem je ein großer Sänger gewesen.

Wirklich war der Perron und die Halle von einer Menschenmenge, deren Kopfzahl auf eine Stadt von sünfzigtausend Einwohnern schließen ließ, belebt. Indessen war Nempen so bescheiden, sich mit dem zehnten Teile in geographischen Lehrbüchern ver­zeichnen zu lassen.

Ta stehn die Wagen," sagte Cohn und schob sich auf die Treppe hinaus.

Mecerino aber blieb einen Augenblick wie an­gewurzelt stehen, elektrisiert durch eine hellgekleidete, jugendlich schlanke und üppige Gestalt mit edeln Zügen, warmer Gesichtsfarbe und schwarzem Haar, deren tieftranrige Augen mit unverkennbarer Span­nung seinem Vorwärtsdringen entgegensahen. In ihrer Hand, die ein Handschuh in Marseiller Imitation umspanute, winkte ein Strauß dunkelroter Rosen. Jetzt war's, als ob sie ihm denselben über die sich zwischen ihr und ihm bewegenden Schultern hinweg zureichen wollte, aber sein Blick, in den sich die keckste Bewunderung drängte, schien sie znrückzuhalten. Sie sah wie erschrocken vor sich nieder.

Dem Spätzchen ging dies offen zur Schau ge­tragene Schönheitsgefühl ihres Idols unangenehm auf die Nerven. Sie gab ihm ungeduldig mit ihren! Sonnenschirm einen Stoß in die Rippen.

Marsch, marsch, marsch! Zu was bleiben Sie denn stehen wie die Kuh vorm neuen Thore?"

Das wirkte.

Unten auf dem breiten Vorplatz hielten in der Prallsonne Zwei klapprige Halbschaisen. Ihr Ge­burtsjahr mochte auch auf Methusalem zurückzuführen sein; die Pferde waren ebenfalls keine Jünglinge mehr; ebensowenig der Kutscher, der wie sie mit einein Narzissensträußchen dekoriert war. Das Ganze war also aus einem Gusse. Rings um die zurück- geschlagenen Wagen lief eine dicke Gnirlande aus