Heft 
(1897) 07
Seite
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Eine Künstlerfahrt nach Kalb-Ksien.

Mit Bolle. Steinberger Kabinett."

Sein Interesse war aber nur aus die Spatz gerichtet.

Wie lange wollen Sie eigentlich noch Vogel Strauß spielen?" rief er nach dem Alkoven hin.

Sie ist nicht da," lächelte ich.

Halten Sie mich doch nicht für so dumm," sagte er verächtlich.Sie lief doch vor mir die Treppe hinauf."

Nicht möglich."

Jawohl; ich traf sie auf der Straße. Sogar die ersten Stufen bin ich mit ihr heraufgegangen. Sie stöhnte über die Hitze. Bei jeder Bewegung klappte sie zusammen ... Na, da wollt' ich ihr be­hilflich sein," er lächelte vielsagend,und wnppdich, haste nich gesehen, lange Nase und wie 'n Wiesel die Treppe 'rauf! Wenn ich nicht gestolpert wäre, hätt' ich sie eingehott. Natürlich steckt sie irgendwo hinter dem Vorhang oder gar unter Ihrer Bettdecke. So was Dummes!"

Nachlässig zog er die Noten unter dem linken Arm hervor und stellte sie aufs Klavier.

So kommen Sie doch endlich zum Vorschein, Sie kleine Hexe! Wir können ja ohne Sie nichts anfangen!"

Da klingelte es stürmisch, und herein schoß wie eine Pistolentugel die Spatz.

In ihrem bräunlichen Alltagskleide hatte sie wirklich Aehnlichkeit mit ihrem gefiederten Namens­bruder: kurze gekräuselte Haare und ein behender Schnabel.

Puh, puh! Wie heute die Sonne sticht!"

Sie riß sich das kleine Barett von: Kopfe und schlenkerte es am Gummibande fächelnd um ihr Gesicht. Dann that sie, als entdecke sie erst jetzt Mecerino, der, seinen Schnurrbart drehend, am Ofen stand.

Menschenskind! Sie schon hier? Sie tagen ja nicht piep. Ja, ja, wenn man abge­fallen ist"

Sie blinzelte ihn schelmisch an.

Sie waren ein bißchen grob," murrte er, aber nnne Lippen kräuselten sich.

Und Sie dreist."

Ach was!"

Wollen Sie das etwa noch bestreiten?"

Aufs bestimmteste."

Nun, hören Sie nur, Hagemännchen!"

Was hat er denn gethan?"

Sie guckte ihn herausfordernd an.

Ins Ohrläppchen hat er mich"

Plötzlich stockte sie und wurde dunketrot.

Beißen wollen," vollendete er.Sie hielten's mir ja förmlich hin."

Da bin ich rasch 'naufgesprungen bis auf den Boden..."

Mecerino, der bei einem Wortscharmützel mit der Spatz immer Zu kurz kam, drehte räuspernd den Klaviersessel auf seinen Zenit, hielt die beiden Arme fest darauf gestützt und sagte:Zum Ueben haben Sie heute wohl keine Lust?"

Sie sprang auf, nahm den ihr auf diese Weise angebotenen Platz kokett ein, legte beide Hände über

Ueber Land und Meer. Jll. Lkt.-.hefte. XIV. 7.

ihre kleinen Ohren und steckte die Nase in die Noten.

Mecerino lachte und murmelte vor sich hin: Ein allerliebster Fratz!"

Sie riß sich die gezwirnten Handschuhe von den Fingern.

Die Hitze! Wie 'ne Sülze bin ich, wie 'ne Sülze! Was Tristan? Konnten sich fürs Konzert auch was Ansprechenderes aussuchen! Ein Liebesgezerre, bei dem jeder Vernünftige see­krank wird. So lassen Sie doch Ihre Hand von den Noten, Mecerino! Sehen Sie bums! Ta liegt der ganze Kladderadatsch auf der Erde! Tn meine Güte! Ich dacht's ja. Geben Sie noch ein dickes Heft her, Hagemännchen; Männer haben keine blasse Ahnung von Korrektheit. So, dann könnten mer also anfangen."

Mit diesem beliebten Stichwort nistete sie sich festen Ruckes förmlich vor dem Flügel ein. Zwei breite Jetarmbänder klirrten auf die Brüstung des Instruments; es folgten drei schmale Fingerringe, und nun kam das Taschentuch an die Reihe.

Die Manipulation mit dem Taschentuche war eine mit der Spatz eugverwachsene Angewohnheit. Wie sich der Spatz den Schnabel wetzt, ehe er Kirschen pickt, so war diese Angewohnheit ein gerade­zu unentbehrliches Moment bei jeder Kunstleistung des Spätzchens. Unter keinen Umständen begann sie je zu spielen, ohne die Tasten Zuvor mit dem Taschentuche abzustäuben und die Hände heftig und nervös damit zu reiben, als ob hierdurch eine dem Spiel notwendige Elektricität entwickelt würde. Und schließlich warf sie das Taschentuch mit Tanzstunden- grazie zu der übrigen abgelegten Flügeldekoration. Das war das mimische Präludium ihres Spiels.

Nun ging's los.

Mecerino probte recht gleichgültig und heftete sein Hauptinteresse auf Spätzchens rosiges Ohr, in dessen kleinem Zipfel ein echtes Perlchen wie auf psirsichfarbenem Sammet glänzte.

-Das geht ja famos," sagte er, als wir fertig waren.Selbst eine Cortagli ist ersetzbar."

Die indirekte Schmeichelei floß mir wie Honig­seim ins Herz.

Die Spatz schnurrte sich auf ihrem Klaviersesfel blitzschnell zu uns herum.

Wissen Sie eigentlich, Hagemännchen, was ihn nach Rempen zieht?"

Wie solche Frage doch überraschen kann! Mecerino hatte mir zwar den Anstoß Zu dieser Konzertfahrt mitgeteilt, aber diese Bemerkung setzte plötzlich ein Fragezeichen dahinter. Ich sagte nicht ja, nicht nein, ich sah nur die Spatz mit jenem Ge­sichtsausdruck an, den kluge Leute mit urdumm be­zeichnen.

Mein Gott, Sie wissen's ja," versetzte Mecerino ungeduldig.

Das, denken Sie, soll ich glauben, daß Sie da nur Ihrem Schulfreunde Cohn zuliebe hingehen? Sie thun doch nie, was Ihre Freunde wollen, son­dern Ihre Freunde thun, was Sie wollen; das kennen wir doch von Bolle her. Plötzlich, Ende

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