Heft 
(1897) 07
Seite
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Ueber Land und Meer.

Tag unbedingt auf den lieblichen Höhen Fiesoles beschließen müsse. Die elektrische Bahn solle Zur Hinfahrt benutzt werden, und in den kühlen Abend­stunden, womöglich bei Mondschein, würde man zu Fuß über S. Domenico nach Florenz zurückwandern.

Wir schlugen daher die Richtung nach dem Markusplatze ein, auf welchen die Bahn mündet. Auf dem Wege dorthin erregte eine kleine Statuette im Schaufenster einer der zahlreichen Kunsthand­lungen meine Aufmerksamkeit, und ich trat trotz des Widerspruches meines Begleiters in den Laden, um nach dem Preis zu fragen.

Das Verkaussgewölbe war ein tiefer, hallen­artiger Raum, dem die zahlreichen Steinbilder, die ihn wie ein weißer Wald bestanden, ein feierliches Gepräge verliehen. Alle plastischen Kunstwerke des überreichen Florenz waren hier vertreten. Die Venus von Medici, der Schleifer, die Niobiden, der sterbende Alexander, Canovas, Napoleon hielten gute Nachbarschaft mit pausbäckigen Engeln und mo­dernen, koketten Frauenköpfen. Zwischen den Büsten des Papstes und des Königs neigte ein mächtiger Ammans sein gelocktes Haupt und nahm sich mit seiner träumenden Schwermut seltsam genug zwischen Talar und ordensreichem Wasfenrock aus.

Um all diese Bildnisse auch mageren Börsen zugänglich zu machen, hatte man sie in weiser Vor­aussicht gleich in verschiedener Größe und von ver­schiedener Güte des Stoffes geformt. Die Schönheit war hier eben für den Hausgebrauch bestimmt. Nichtsdestoweniger befanden sich unter der Menge der Fabrikware auch einige ganz vortreffliche Kopien der Antiken, denen nur die schönen, matten Töne des Alters fehlten, um ganz dem Steine zu gleichen, den der Meißel eines Michelangelo oder Skopas geliebkost.

Bei unserm Eintritt tauchte der Besitzer dieser Herrlichkeiten hinter dem breiten Sockel der Ringer­gruppe aus, wo er in einem niederen, bequemen Lehnstuhl seine Siesta gehalten. Auf einem daneben stehenden Tischchen sah man noch die Reste seines Mahles und eine halbgeleerte, langstielige Weinflasche.

Er war ein hochgewachsener, sorgfältig gekleideter Mann. Weder das Alter seine Schläfen zeigten bereits graue Haare noch ein behäbiger Ansatz zur Fettleibigkeit hatten den Adel seiner regelmäßigen Gesichtszüge zu verwischen vermocht. Seine Be­wegungen waren langsam und feierlich, seine Sprache gemessen und gewählt.

Während er seines Amtes waltete, glich er weit eher einem Mäcen, der sich herbeiläßt, seine Samm­lung einem Fremden zu zeigen, als einem Handels­mann, der ein Geschäft abzuschließen trachtet.

Wir waren bald handelseinig. Er gab uns bis zur Schwelle das Geleit und versicherte mit ver­bindlichem Lächeln, in einer Stunde würde die ge­kaufte Statuette in meinem Gasthof sein.

Kain Sinoda hatte sich mit keinem Wort an dem Gespräch beteiligt. Er schien über die Maßen verdrießlich. Kaum war die Thür hinter uns in das Schloß gefallen, so stieß er unwillig hervor: Der alte Geck!"

Du bist hart!" rief ich lachend.Der Manu versteht eben sein Geschäft."

Ich kann nun einmal diese Zierereien nicht leiden!" erwiderte Kain, sichtlich erbost.

Nun legte ich aber für meinen würdevollere Italiener eine Lanze ein. Seine vornehme Zurück­haltung sei jedenfalls der hastigen Dienstbeflissenheit andrer Verkäufer vorzuziehen. Das Benehmen des Händlers müsse sich naturgemäß nach der Gattung der Ware richten. Eine Buchhandlung erheische bessere Umgangsformen als ein Kramladen und eine kleine Pose sei in diesem Sinne dem nicht zu verübeln, der mit Schönheit handle.

Mit Schönheit handeln!" lachte Kain Sinoda höhnisch auf.Da hast du als blinde Henne ein­mal ein Korn gesunden!"

Die zur Schau getragene Feindseligkeit des Freundes wurde mir denn doch zu toll, und ich be­schloß, ihren Grund vorsichtig Zu erforschen.

Inzwischen hatten wir unser Ziel erreicht und von dem Weichensteller erfahren, daß wir uns noch eine gute Weile bis zum Abgang des nächsten Zuges nach Fiesole würden gedulden müssen. Wir ließen uns daher aus einer beschatteten Bank in den die Mitte des Marknsplatzes zierenden Anlagen nieder, und ich knüpfte den unterbrochenen Faden unsers früheren Gespräches wieder an.

Du hast etwas gegen meinen Marmorhändler auf dem Herzen!" meinte ich scherzend.Beichte es nur. Er hat dich wohl einmal tüchtig über das Ohr gehauen, und du, Knauser, kannst es ihm nicht verzeihen!"

Kain Sinoda ging aus den leichtfertigen Ton, den ich angeschlagen, nicht ein.Nein," erwiderte er ernst,nichts von alledem! Ich mache keinen Hehl daraus, daß ich gegen jenen Mann eine tiefe Ab­neigung hege. Aber dazu habe ich einen guten und triftigen Grund. Der ganze Wohlstand jenes Menschen ist auf einem schweren sittlichen Vergehen aufgebaut."

Auf einem Vergehend" forschte ich erstaunt.

Aus einem Verbrechen, würde ich sagen, wenn ich nicht die großen Worte verabscheute!" entgegnete der Freund.

Natürlich drang ich in Kain, mich in das Ge­heimnis einzuweihen, und da er zum Glück gerade in Erzählerlaune war, ließ er sich nicht allzulange bitten.

Es ist schon lange her," Hub er an,da lebten in einem hiesigen Palaste ein alter, gichtbrüchiger Marquis und dessen blutjunges Töchterlein das traurige, bittere Dasein der verschämten Armut. Die beiden ungleichen Menschen waren die letzten Sprossen einer edeln und einst sehr mächtigen Fa­milie, die in der Florentiner Geschichte mehr als einmal ein gewichtiges Wort gesprochen hat.

Den alten Herrn traf keine Schuld an dem wirtschaftlichen Niedergang seines Geschlechtes. Er hatte das Schiff bereits mit einem klaffenden Leck ererbt. Daß er trotzdem bei der Wahl seiner Gattin mehr aus die Stimme seines Herzens und die Tra­dition seines Hauses gehört als aus eine reiche Mit-