Die Equipage der Jamitie Aodanelli.
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gist geachtet — das kann ihm in meinen Augen nur zur Ehre gereichen. Kurz nach dem frühen Tode der Hausfrau brach der Ruin vollends herein.
„ Zur Zeit, wo meine Erzählung spielt, war von dem fchimmernden Glanze, der einst die Familie umstrahlte, schon längst nichts mehr übrig als der historische ehrliche Name und der bis an die Zinnen verschuldete und daher unverkäufliche Palast, hinter dessen massigen Quadern der Marquis sein Elend nicht minder stolz verbarg als seine Ahnen einst ihren Einfluß und ihre Schätze.
„Den ganzen Hausstand bildeten eine alte Magd und ein nicht minder alter Diener, der das Amt eines Kochs, eines Taseldeckers und eines Kutschers in sich vereinte. Ja — auch das eines Kutschers. Denn obgleich die Küchenschränke oft ebenso leer waren wie die Geldkasse, beherbergten die gewölbten Stallungen noch immer ein Roß und die Remise zwei altmodische Kaleschen.
„Von seiner Equipage — so bescheiden und ärmlich sie auch war — vermochte sich der Marquis nicht zu trennen. Den ganzen Tag über saß er in seinem Zimmer und vertiefte sich in die ruhmvolle Geschichte seines Hauses. Aber gegen Abend kleidete er sich sorgfältig an und fuhr in die Cassinen, wo er am Arme seines Töchterleins bei den Klängen der Musik ein halbes Stündchen in den schattigen Alleen spazierte.
„Wenn er auf der Hin- und Rückfahrt durch die Straßen rollte — im eignen Gefährt — dann vergaß er die herbe Kläglichkeit seiner Lage. Mochte der Gaul auch abgetrieben und unschön, der Wagen altmodisch und schwerfällig sein — wenn nur die breite Borte am Rocke des Kutschers sein Wappen trug, das einst in Florenz nicht weniger bekannt und geachtet war als die drei Kugeln der Medici.
„Solange seine Equipage nicht in der langen Wagenkette fehlte, die sich jeden Abend vom Ponte S. Trinita bis zur heutigen Piazzale del Re hinzieht, fühlte sich der Marquis, obgleich er längst jedem geselligen Verkehr aus pekuniären Gründen entsagt hatte, noch immer als Mitglied der glänzenden florentinischen Gesellschaft.
„Um diese Sonderlichkeit verstehen zu können, darf man weder den italienischen prachtliebenden Charakter noch den schwerwiegenden Umstand außer acht lassen, daß die Jugend des alten Herrn in eine Zeit gefallen war, wo die wappengeschmückten Wagen in der That die leitende Macht repräsentiert hatten. Unter den obwaltenden Umständen war sie freilich eine lächerliche Schwäche. Aber wie dem auch sei, die tägliche Korsofahrt bildete nun einmal die einzige Lebensfreude des ehrlichen und rechtschaffenen alten Mannes, und er mußte sich dieses Vergnügen durch die härtesten Entbehrungen auf anderm Gebiete erkaufen.
„Sein Töchterlein stellte an das Dasein andre Anforderungen. Sie war ein munteres sechzehnjähriges Ding, dem vom Vater her der Hang zur Romantik, als Erbteil der Mutter aber ein gutes Stück hausbackenen Sinnes im Blute steckte. Die Rolle der großen Dame, die man sie zwei Stunden
Ueber Land und Meer. Jll. Okt.-Hefte. XIV. 7.
des Tages in der Equipage spielen ließ, während sie die übrige Zeit tüchtig wirtschaften mußte, konnte ihr nicht genügen. Da war es nun kein sonderliches Wunder, daß sie, als das Liebesleben in ihrer jungen Brust zu keimen begann, ihr sehnsüchtiges Herz an einen Menschen verlor, dem die Natur den glänzendsten Adelsbrief der siegreichen Schönheit geschrieben.
„Dieser Mensch war Giovanni Beppe — der Statnenhändler. Damals war er noch nicht ein wohlbestallter Geschäftsmann, sondern nur Verkäufer in einer der großen Kunsthandlungen der Via Torna- buoni. Nun, du hast ihn ja gesehen und wirft wohl begreifen, daß dieser ergraute Apollo vor dreißig Jahren ganz dazu geeignet war, einem unerfahrenen jungen Mädchen den Kopf Zu verdrehen.
„Jeden Abend — zur Stunde, wo die Wagen aus den Cassinen in die Stadt zurückrollten — lehnte der schöne Giovanni in seiner Ladenthür. Wenn sich nun zwei Menschen alle Tage begegnen, so ist es die einfachste und natürlichste Sache der Welt, daß sie es schließlich gewahr werden, ob sie Gefallen aneinander gefunden. Allmählich entspann sich Zwischen der kleinen Marchesa in der Equipage und dem schönen Florentiner die unschuldigste der Liebeleien, in verliebten Blicken seinerseits, in verlegenem Erröten ihrerseits bestehend.
„Das ging ein ganzes Jahr so fort, und es hätte wohl dabei auch sein Bewenden gehabt, wenn nicht der Zufall es gewollt, daß sich die alte Magd ein böses Fußleiden zugezogen. Wohl oder übel mußte der Marquis seiner Tochter gestatten, die kleinen Einkäufe des Haushaltes selbst und obendrein allein zu besorgen. Nur hatte sie ihm in die Hand versprechen müssen, die belebten Plätze und großen Verkehrsadern zu meiden.
„Lange Zeit gehorchte die kleine Marchesa auch gewissenhaft dem väterlichen Verbote. Aber als sie eines Tages zur Mittagsstunde von einer Besorgung heimkehrte, ließ sie sich verleiten, dagegen Zu sündigen.
„Die Sonne brannte glühend heiß. Jedermann pflegte der Siesta. Die Straßen waren weniger belebt als zur vorgerückten Nachtstunde. Das verliebte Fräulein meinte daher dem Geiste ihres Versprechens ganz gerecht zu werden, wenn sie um diese Zeit auch ihren Weg durch die Via Tornabnoni nahm.
„Und das — das war ihr Verhängnis.
„Giovanni Beppe lehnte wie gewöhnlich unter der Ladenthür und rauchte seine Zigarette. Die Marchesa fühlte, wie sein Blick aus ihr ruhte. Das Blut schoß ihr in die Wangen, sie senkte das Köpfchen und eilte rasch vorbei, ohne ihn auch nur anzusehen. Aber in einiger Entfernung faßte sie wieder Mut und konnte es nicht unterlassen, sich nach dem heimlich Geliebten umzuwenden.
„Nur einen Augenblick! Aber gerade in diesem Augenblick löste sich die schlanke Gestalt des Jünglings ans dem Thürrahmen los und schritt langsam die Straße herab.
„Es war kein Zweifel — er folgte ihr! Diese Erkenntnis raubte der kleinen Marchesa vollends die
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