Heft 
(1.1.2019) 01
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(Lecile.

hatte. Dann wies er ans einen einigermaßen schattigen, am Parkende gelegenen Seitenweg hin, und führte, diesen einschlagend, das St. Arnaud'fche Paar an Buden und Sommerhäusern vorüber, auf das benachbarte Hubertusbad zu, von dem aus er den Aufstieg auf die Roßtrappe bewerkstelligen wollte. Von beiden Seiten trat das Laubholz dicht heran, aber auch freiere Plätze kamen, aus deren einem eine von einem vergoldeten Drahtgitter ein­gefaßte, mit wildem Wein und Epheu dicht über­wachsene Villa lag. Nichts regte sich in dem Hause, nur die Gardinen bauschten überall, wo die Fenster aufstanden, im Zugwind hin und her, und man hätte den Eindruck einer absolut un­bewohnten Stätte gehabt, wenn nicht ein präch­tiger Pfau gewesen wäre, der, von seiner hohen Stange herab, über den meist mit Rittersporn und brennender Liebe bepflanzten Vorgarten hin, in übermüthigem und herausforderndem Tone gekreischt hätte.

Cscile blieb betroffen stehen und wandte sich dann zu Gordon, der den ganzen Umweg vielleicht nur um dieser Stelle willen gemacht hatte.

Wie zauberhaft", sagte sie.Das ist ja das »verwunschene Schloß« im Märchen. Und so still und lauschig. Wirkt es nicht, als wohne der Friede darin, oder was dasselbe sagt: das Glück."

Und doch haben beide keine Stätte hier ge­funden, und ich gehe täglich an diesem Hause vor­über und hole mir eine Predigt."

Und welche?"

Die, daß man darauf verzichten soll, ein Idyll oder gar ein Glück von außenher ausbauen zu wollen. Der, der dies schuf, hatte dergleichen im Sinne. Aber er ist über die bloße Coulisse nicht hinausgekommen, und was dahinter für ihn lauerte, war weder Friede noch Glück. Es geht ein finsterer Geist durch dieses Haus, und sein letzter Bewohner erschoß sich hier, an dem Fenster da (das vorletzte links) und wenn ich so hinseh', ist mir immer, als sah' er noch heraus und suche nach dem Glücke, das er nicht finden konnte. Plätze, daran Blut klebt, erfüllen mich mit Grauen."

Es war als ob Gordon auf ein Wort der Zu­stimmung gewartet hätte. Dies Wort blieb aber ans, und Cacile zählte nur die Maschen des vor ihr ausgespannten Drahtgitters, während der Oberst sein Lorgnon nahm und die Fenster mit einer Art ruhiger Neugier musterte.

Dann, ohne daß weiter ein Wort gesprochen worden wäre, schritt man dem Schlängelwege zu, der auf die Roßtrappe hinaufführte.

Sechstes Kapitel.

Die Bahnhossuhr unten in Thale schlug eben fünf, als das St. Arnaud'fche Paar und Gordon bis

auf wenige Schritt an den Felsenvorsprung mit dem Hotel zur Roßtrappe" heran waren und im selben Augenblicke wahrnahmen, daß viele der Gäste, mit denen sie die Table d'hote getheilt hatten, ebenfalls hier oben erschienen waren, um an diesem bevor­zugten Aussichtspunkte ihren Kaffee zu nehmen. Einige, darunter auch die beiden Herren in Grau­braun (und an einem Nachbartische der Emeritus und der Langhaarige) faßen paar- oder gruppen­weis, unter einem von Pfeifenkraut überwachsenen Zeltschuppen und sahen in die reiche Landschaft hin­ein, aus der, in nächster Nähe, die pittoresken Ge­bilde der Teufelsmauer und weiter zurück die Qued- linburger und Halberstädter Thurmspitzen ausragten. Alles was unter dem Zeltschuppen und zum Theil auch in Front desselben saß, war heiter und guter Dinge, voran die beiden Berliner, deren Diner- Stimmung sich, unter dem Einfluß einiger Kaffee- Cognacs, eher gesteigert als gemindert hatte.

Da find sie wieder", sagte der Aeltere, wäh­rend er auf das St. Arnaud'fche Paar und den unmittelbar folgenden Gordon zeigte:Sieh nur, schon den Shawl über'm Arm. Der fackelt nicht lange. Was Du thnn willst, thue bald. Ich wundre mich nur, daß der Alte ..."

Seine Neigung in diesem Gesprächstone fort­zufahren, war unverkennbar; er brach aber ab, weil die, denen diese Bemerkungen galten, mittler­weile ganz in ihrer Nähe Platz genommen hatten und zwar an einem unmittelbar am Abhange stehenden Tische, neben dein auch ein Teleskop für das schau­lustige Publikum ausgestellt war. Eine junge, freilich nicht allzu junge, mit Skizzirung der Land­schaft beschäftigte Dame, saß schon vorher an dieser Stelle , was den Obersten, als er seinen Stuhl heran schob, zu den Worten veranlaßte:Pardon, wenn wir lästig fallen. Aber alle Tische sind be­setzt, mein gnädiges Fräulein, und der Ihrige ge­nießt außerdem des Vorzugs, der landschaftlich an­ziehendste zu sein."

Das ist er", sagte die Dame rasch und mit ungewöhnlicher Unbefangenheit, während sie das Blatt, an dem sie bis dahin gezeichnet, in die Mappe schob.Ich ziehe diese Stelle jeder andern vor, auch der eigentlichen Roßtrappe. Dort ist alles Kessel, Eingeschlossenheit und Enge, hier ist alles Weitblick. Und Weitblicke machen einem die Seele weit und sind recht eigentlich meine Passion in Natur und Kunst."

Der Oberst, den das frank und freie Wesen der jungen Dame sichtlich anmuthete, beeilte sich, sich und seine Begleitung vorzustellen und fuhr dann fort:Ich hoffe, meine Gnädigste, daß wir nicht zu sehr als eine Störung empfunden werden. Sie schoben das Blatt in die Mappe. . ."

Nur weil es beendet war, nicht um es Ihren