Heft 
(1.1.2019) 01
Seite
9
Einzelbild herunterladen

Theodor Fontane.

9

Augen zu entziehen. Ich mißbillige diese Kunst- Prüderie, die doch meistens nur Hochmuth ist. Die Kunst soll die Menschen erfreuen, immer da sein wo sie gerufen wird, aber sich nicht wie die Schnecke furchtsam oder gar vornehm in ihr Haus zurück­ziehen. Am schrecklichsten sind die Klabiervirtuosen, die zwölf Stunden lang spielen, wenn man sie nicht hören will, und nie spielen, wenn man sie hören will. Das Verlangen nach einem Walzer ist ihnen die tödtlichste der Beleidigungen und doch ist ein Walzer etwas Hübsches und wohl des Ent­gegenkommens werth. Denn er macht ein Dutzend Menschen auf eine Stunde glücklich."

Ein herantretender und nach den Befehlen der neuen Gäste fragender Kellner unterbrach hier aus Augenblicke das Gespräch, aber es wurde rasch wieder ausgenommen und führte, nach einer kleinen Weile schon, zur Durchsicht der bereits die ver­schiedensten Blätter enthaltenden Mappe. Cscile war entzückt, verklagte sich ihrer argen Talentlosig- keit halber, unter der sie zeitlebens gelitten, und that freundliche, wohlgemeinte Fragen, die reizend gewesen wären, wenn sich nicht, bei mancher über­raschenden Kenntniß im Einzelnen, im Ganzen ge­nommen eine noch verwunderlichere Summe von Nicht-Wissen darin ausgesprochen hätte. Sie selber schien aber kein Gewicht daraus zu legen, und über­sah ein nervöses Zucken, das bei der einen oder- anderen dieser Fragen um deu Mund ihres Gatten spielte.

Gordon, selber ein guter Zeichner und speziell oon einem für landschaftliche Dinge geübten Auge, hatte hier und da Bedenken und gab ihnen, wenn auch unter den artigsten Entschuldigungen, Aus­druck.

O, nur das nicht", sagte die sunge Dame. Nur keine Entschuldigungen. Nichts schrecklicher als todtes Lob; ein verständiger und liebevoller Tadel ist das Beste, was ein Künstlerohr vernehmen kann. Aber sehen Sie das hier; das ist besser." Und sie zog unter den Blättern eines hervor, das ! eine Wiese mit Brunnentrog und an dem Trog ein ^ paar Kühe zeigte. i

Das ist schön" sagte Gordon, während die be- ! ständig auf Aehnlichkeiten ausgehende Cecile durchaus eine Wiese, die man vorher passirt hatte, darin wieder erkennen wollte.

Die junge Malerin überhörte diese Bemerkungen aber und fuhr, während sie Gordon ein zweites Blatt zuschob, in immer lebhafterem Tone fort: Und hier sehen Sie, was ich kann und nicht kann. Ich bin nämlich, um es rund heraus zu sagen, eine Thiermalerin."

Ah, das ist ja reizend", sagte Cscile.

Doch nicht, meine gnädigste Frau, wenigstens spickst so bedingungslos, wie Sie gütigst anznnehmen

H. 2.

scheinen. Eine Dame soll Blumenmalerin sein, aber nicht Thiermalerin. So fordert es die Welt, der Anstand, die Sitte. Thiermalerin ist an der Grenze des Unerlaubten. Es giebt da so viel intrikate Dinge. Glauben Sie mir, Thiere malen aus Be­ruf oder Neigung ist ein Schicksal. Und wer den Schaden hat, darf für den Spott nicht sorgen. Denn zum Ueberfluß heiße ich auch noch Rosa, was in meinem Falle nicht mehr und nicht weniger als eine Calamität ist."

Und warum das?", fragte Cocile.

Weil mich, aus diesen Namen hin, die Neid­teufelei der Collegen in Gegensatz bringt zu meiner berühmten Namensschwester. Und so nennen sie mich denn Rosa Malheur."

Cocile verstand nicht. Gordon aber erheiterte sich und sagte:Das ist allerliebst, und ich müßte mich ganz in Ihnen irren, wenn Sie diese Namens­gebung auch nur einen Augenblick ernstlich verdrösse."

Thut es auch nicht", lachte jetzt das Fräulein, das eigentlich stolz auf den Spitznamen war, den man ihr gegeben hatte.Man kommt darüber hin. Und Spielverderberei gehört ohnehin nicht zu meinen Tugenden."

In diesem Augenblick erschien der Kellner mit einem tassenklirrenden Tablett und während er die Serviette zu legen und den Tisch zu arrangireu begann, hörte man, bei der eingetretenen Gesprächs­pause, beinah jedes Wort, das unter dem Zeltschuppen und zwar an dem zunächststehenden Tische gesprochen wurde.

Darin", sagte der Langhaarige, dessen Botanisir- trommel trophäenartig an einem Balkenhaken hing, darin, mein sehr verehrter Herr Emeritus, muß ich Ihnen durchaus widersprechen. Es ist ein Jrr- thum, alles in unserer Geschichte von den Hohen- zollern herleiten zu wollen. Die Hohenzollern haben das Werk nur weitergeführt, die Begründer aber sind die halbvergessenen und eines dankbaren Ge­dächtnisses doch so würdigen Askanier. Ein ober­flächlicher Geschichtsunterricht, der beiläufig die Haupt­schuld an dem pietäts- und vaterlandslosen Nihilis­mus unserer Tage trägt, begnügt sich, wenn von den Askaniern die Rede ist, in der Regel mit zwei Namen, mit Albrecht dem Bären und Waldemar dem Großen, und wenn der Herr Lehrer ein wenig ästhetisiert (ich hasse das Aesthetisieren in der Wissen­schaft), so spricht er auch wohl von Otto mit dem Pfeil und der schönen Heilwig und dem Schatz in Angermünde. Nun ja, das mag gehen; aber das alles sind, wenn nicht Allotria, so doch bloße Kost­häppchen. In Wahrheit liegt es so, daß sie, die Askanier, trotz einiger sonderbarer Beinamen und Bezeichnungen, die, wie gern zugestanden werden mag, den Scherz oder einen billigen Witz heraus- sordern, sammt und sonders bedeutend waren. Ich