sage, gern zugestauden. Aber andrerseits muß ich doch sagen dürfen, wohin kommen wir, mein Herr Emeritus, wenn wir die Bedeutung der Menschen nach ihren Namen abschätzen wollen? Ist Klop- stock ein Dichtername? Vermuthet man in Griepen- karl einen Dramatiker, oder in Bengel einen berühmten Theologen? Oder gar in Ledderhose? Wir müssen uns frei machen von solchen Albernheiten."
An einer lebhaften Bewegung seiner Lippen ließ sich erkennen, daß der Emeritus emsig dabei war, dem Manne des historischen Essays mit gleicher Münze heimzuzahlen, da seine Pensionirung aber, aus Antrag seiner ihn sonst verehrenden Gemeinde, vor zehn Jahren schon und zwar »um Mümmelns willen« erfolgt war, so war an ein Verstehen dessen was er sagte, gar nicht zu denken, während das, was in eben diesem Augenblick an dem berlinischen Nachbartisch gesprochen wurde, desto deutlicher herüber schallte.
„Sieh nur", sagte der Aeltere. „Die beiden Thürme da. Der nächste, das muß der Quedlin- burger sein, das ist klar; das kann 'ne alte Frau mit 'm Stock suhlen. Aber der dahinter, der sich so rotirö hält! Ob es der Halberstädter ist? Es muß der Halberstädter sein. Was meinst Du, wollen wir'n mal ein bischen 'ran holen?"
„Gewiß. Aber womit?"
„Na, mit's Perspektiv. Sieh doch den Opern- kucker da."
„Wahrhaftig. Und auf 'ner Lafette. Komm."
Und so weiter sprechend, erhoben sie sich und gingen auf das Teleskop zu.
„Berliner", flüsterte Rosa leise zu Gordon hinüber, und rückte mehr seitwärts.
Aber sie gewann wenig durch diese Retraite, denn die Stimmen der jetzt abwechselnd in das Glas hineinschauenden beiden Freunde waren von solcher berliner Schärfe, daß kein Wort von ihrer Unterhaltung verloren ging.
„Nu? hast Du'n?"
„Ja. Haben Hab' ichThn. Und er kommt auch immer näher. Aber er wackelt so."
„Denktnicht dran. Weißt Du, wer wackelt? Du."
„Noch nich."
„Aber bald."
Und damit traten sie von dem Teleskop wieder unter die Halle zurück, wo sie sich nunmehr rasch zum Weitermarsch auf die eigentliche Roßtrappe hin fertig machten.
Als sie fort waren, sagte Rosa: „Gott sei Dank. Ich ängstige mich immer so."
,,Warum?"
„Weil meine lieben Landsleute so sonderbar sind."
„Ja, sonderbar sind sie," lachte Gordon." „Aber
nie schlimm. Oder sie müßten sich in den letzten zehn Jahren sehr verändert haben."
So plaudernd wurde das Durchblättern der Mappe fortgesetzt, freilich unter sehr verschiedener Antheilnahme. Der Oberst, ohne recht hinzublicken, beschränkte sich auf einige wenige bei solcher Gelegenheit immer wiederkehrende Bewunderungslaute, während Cseile zwar hinsah, aber doch vorwiegend mit einem schönen Neufundländer spielte, der, von Hotel Zehnpfnnd her, der schönen Frau gefolgt war und seinen Kopf in ihren Schooß legend, bittend und mit beinah zärtlichem Bertrauensausdruck auf die Zuckerstücke wartete, die sie ihm zuwarf. Nur Gordon war bei der Sache, machte Bemerkungen, die zwischen Ernst und Scherz die Mitte hielten und sagte, als ein Blatt kam, das ein aus vielen Feldsteinen aufgebautes Grabmal darstellt: „Pardon, ist das Absicht oder Zufall? Einige der Steine haben eine Todtenkopf-Physiognomie. Wahrhaftig, man weiß nicht, ist es ein Steinkegel oder eine Schädelstätte?"
Rosa lachte. „Sie haben die Bilder von Were- schagin gesehen?"
„Freilich. Aber nur die Skizzen."
„In Paris?"
„Nein, irr Samarkand. Und dann später eine größere Zahl in Plewna."
„Sie scherzen. Plewna, das möchte gehn, das glaub' ich Ihnen. Aber Samarkand! Ich bitte Sie, Samarkand ist doch eigentlich blos Märchen."
„Oder schreckliche Wirklichkeit", erwiederte Gordon. „Entsinnen Sie sich der Samarkandischen Tempelthüren?"
„O gewiß. Eine Perle."
„Zugestanden. Aber haben Sie nebenher auch die Tempelwächter mit Pfeil und Bogen in Erinnerung, die, der seltsam kriegerischsten Beschäftigung hingegeben (da wo sich Krieg und Jagd berühren) in Front dieser berühmten Tempelthüren hockten? Ach, meine Gnädigste, glauben Sie mir, die Vorzüge jener Gegenden sind überaus zweifelhafter Natur und ich bin alles in allem entschieden für Berlin mit einer Lohengrin-Aufsührung und einem Souper bei Hiller. Lohengrin ist phantastischer und Hiller appetitlicher. Und auch das Letztere bedeutet viel, sehr viel. Namentlich auf die Dauer."
Der Oberst nickte zustimmend, die Malerin aber wollte sich nicht gleich und jedenfalls nicht in allen Stücken gefangen geben und fuhr deshalb fort: „Es mag sein. Aber Eines bleibt, die großartige Thierwelt: der Steppenwolf, der Steppengeier."
„Im Ganzen werden Sie die Bekanntschaft dieser liebenswürdigen Geschöpfe Gottes im Berliner Zoologischen sichrer und copirbarer machen, als an Ort und Stelle. Die Wahrheit zu ge-