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(01/01/2019) 01
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Theodor Fontane.

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stehen, ich habe, während meines Trienniums in der Steppe, keinen einzigen Steppengeier gesehen und sicherlich keinen, der sich so gnt ausgenommen hätte, wie der da. Freilich kein Geier. Sehen Sie, meine Gnädigste, da zwischen den Klippen."

Und er wies ans einen Habicht, der sich, am Eingänge der Schlucht, hoch in Lüften wiegte.

Rosa sah dem Fluge nach und bemerkte dann: Er fliegt offenbar nach dem Hexentanzplatz hin."

Gewiß", sagte Cscile, froh, daß endlich ein Wort gefallen war, das sie der unheilvollen Mappe sammt daran anknüpfenden knnstäsihetischen oder- gar erdbeschreiblichen Betrachtungen entzog.Nach dem Hexentanzplatz! Ich höre das Wort immer wieder und wieder; heute schon zum dritten Male."

Was einer Mahnung, ihn zu besuchen, gleich kommt, meine gnädigste Frau. Wirklich, wir werden ihn über kurz oder lang sehen müssen, das schulden wir einem Harz-Aufenthalte. Denn allerorten, wo man sich anfhält, hat man eine Art Pflicht, das Charakteristische der Gegend kennen zu lernen, in Samarkand (und er verbeugte sich gegen Rosa) die Tempelthüren und ihre Wächter, in der Wüste den Wüstenkönig und im Harze die Hexen. Die Hexen sind hier nämlich Landesprodnkt und wachsen wie der rvthe Fingerhut überall ans den Bergen um­her. Auf Schritt und Tritt begegnet man ihnen und wenn man fertig zu sein glaubt, fängt es erst recht eigentlich an. Zuletzt kommt nämlich der

Brocken, der in seinem Namen zwar alle hexlichen Beziehungen verschweigt, aber doch immer der eigentlichste Hexentanzplatz bleibt. Da sind sie zu Haus, das ist ihr Ur- und Quellgebiet. Allen Ernstes, die Landschaft ist hier so gesättigt mit derlei Stoff, daß die Sache schließlich eine reelle Gewalt über uns gewinnt, und was mich persön­lich angeht, nun so darf ich nicht verschweigen: als ich neulich, die Mondsichel am Himmel, das im Schatten liegende Bodethal passirte, war mir's, als ob hinter jedem Erlenstamm eine Hexe hervorsähe."

Hübsch oder häßlich?" fragte Rosa.Nehmen Sie sich in Acht, Herr von Gordon. In Ihrem Hexenspuk spukt etwas vor. Das sind die inneren Stimmen."

O, Sie wollen mir bange machen. Aber Sie vergessen, meine Gnädigste, wo das Hebel liegt, liegt in der Regel auch die Heilung, und ich kenne Gott sei Dank kein Stück Land, wo, bei drohend­sten Gefahren, zugleich so viel Rettungen vorkämen, wie gerade hier. Und immer siegt die Tugend und der Böse hat das Nachsehen. Sie werden vielleicht vom »Mügdesprung« gehört haben? Aber wozu so weit in die Ferne schweifen! Eben hier, in unsrer nächsten Nähe, haben wir ein solches Rettungsterrain, eine solche beglaubigte Zufluchts­stätte. Sehen Sie dort (und er wandte sich nach

rückwärts) den Roßtrapp-Felsen? Die Geschichte seines Namens wird Ihnen kein Geheimniß sein. Eine tugendhafte Prinzessin zu Pferde, von einem dito berittenen untngendhaften Ritter verfolgt, setzte voll Todesangst über das Bodethal fort und siehe da, da wo sie glücklich landete, wo der Pferdehuf anfschlug, haben wir die Roßtrappe. Sie sehen an diesem einem Beispiele, wie Recht ich mit meinem Satze hatte: wo die Gefahr liegt, liegt auch die Rettung."

Ich kann Ihr Beispiel nicht gelten lassen", lachte Rosa.Zum Mindesten beweist es ein gut Theil weniger, als Sie glauben. Es macht eben einen Unterschied, ob ein gefährlicher Ritter eine schöne Prinzessin oder ob umgekehrt eine gefährlich schöne Prinzessin..."

Was dem Einen recht, ist dem Andern billig."

O, nicht doch, Herr von Gordon, nicht doch. Einem armen Mädchen, Prinzessin oder nicht, wird immer geholfen, da thut der Himmel seine Wunder, intervenirt in Gnaden und trägt das Roß, als ob es ein Flügelroß wäre, glücklich über das Bodethal hin. Aber wenn ein Ritter und Cavalier von einer gefährlich-schönen Prinzessin oder auch einer gefährlich-schönen Hexe, was mit­unter zusammenfällt, verfolgt wird, da thut der Himmel gar nichts und ruft nur sein aiäo toi IN6M6 herunter. Und hat auch Recht. Denn die Cavaliere gehören zum starken Geschlecht und haben die Pflicht, sich selber zu helfen."

St. Arnaud applaudirte der Malerin und selbst Cöcile, die, bei Beginn des Wortgefechts, ein leises Unbehagen nicht unterdrücken konnte, hatte sich, als ihr das harmlos Unbeabsichtigte dieser kleinen Pikanterien zur Gewißheit geworden war, einer allerbesten Laune rückhaltlos hingegeben. Selbst der säuerlich schlechte Kaffee, mit der im Harz überall als Sahne geltenden häßlichen Milchhaut, erwies sich außer Stande, diese gute Laune zu verscheuchen und bestimmte sie nur, behufs leid­licher Balancirung des Uebels, um Sodawasser zu bitten, was freilich, weil es multrig war,Zeines Zweckes ebenfalls verfehlte."

Die Roßtrappen-Prinzefsin", sagte der Oberst, wenn sie sich nach dem Sprunge hat restanriren wollen, hat es hoffentlich besser getroffen als wir. Aber (und er verneigte sich bei diesen Worten gegen Rosa) wir haben dafür etwas anderes vor ihr voraus, eine liebenswürdige Bekanntschaft, die wir anknüpfen durften."

Und die sich hoffentlich sortsetzt", fügte Cocile mit großer Freundlichkeit hinzu.Dürfen wir hoffen, Sie morgen an der Table d'hote zu treffen?"

Ich habe vor, meine gnädigste Frau, mich morgen in Quedlinburg umzuthun und möchte mein Reiseprogramm gern innehalten. Aber es würde

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