Allgemeine Rundschau.
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selten auf 19 Knoten gebracht — verdankt das Schiff übrigens nicht bloß der Kraft seiner Maschinen, sondern auch seiner überaus schlanken Gestalt, nämlich 115 Meter Länge bei 11 ^ Meter Breite, also einem Verhältniß von 1 zu 10, sowie auch zum Theil der Anwendung des leichteren Stahles als Baumaterial. Bemerkenswerth ist es auch, daß die „Jreland" mit Niederdruckmaschinen ausgestattet ist. Diese verbrauchen zwar mehr Kohle, wiegen aber dafür weniger. Zur erhöhten Geschwindigkeit mag übrigens auch die Wahl des Schaufelrades an Stelle der sonst tiberall üblichen Schraube mit beigetragen haben.
Die „Jreland" ist selbstverständlich in allen ihren Theilen elektrisch beleuchtet und birgt, neben umfangreichen Räumen für die Post, reich ausgestattete Salons und Schlafeinrichtungen für 200 Passagiere 1. Klasse. Elf wasserdichte Abtheilnngen sorgen dafür, daß das Schiff nicht sinken kann, wenn es eine Beschädigung erfährt.
G. van Muh den.
Telephonische Hausklingel. Dem Elektriker Ma- irnvwitch in Paris verdanken wir eine sehr interessante Verbesserung der ungemein verbreiteten Haustelegraphen. Er giebt ein Verfahren an, nur diese Signalapparate, welche bisher nur eine Klingel in Bewegung versetzten, ohne viel Kosten in Fernsprecher zu verwandeln, und zwar auf eine dreifache Weise: Die einfachste ist die bei den gewöhnlichen elektrischen Klingeln anzuwendende, und es besteht hier die Verbesserung darin, daß man nicht bloß die Dienerschaft benachrichtigen, sondern ihr die Befehle gleich telephonisch übermitteln kann. Die zweite Kombination ist in der Wirkung die gleiche; nur daß sie den namentlich in Gasthöfen vielfach üblichen Tafeln mit den Zimmernummern angepaßt ist. Die dritte Art endlich ermöglicht nicht bloß das Ertheilen von Befehlen, sondern auch das telephonische Antworten der Dienstboten auf Anfragen der Herrschaft. Die Drahtleitungen bleiben bestehen; die einzige Veränderung in der Anlage besteht in der Anbringung von Telephontendern bezw. Empfängern bei den Klingelknöpfchen, sowie in der Küche oder der Dienerstube.
G. van Muyden.
MisrellLN.
Ameisen als Schatzhüter. Im Hochsommer verlor ich bei einem Waldspaziergange einen Diamanten von der Größe einer Erbse aus meinem Berlobungsringe. Wenn auch weit entfernt, dies als böses Omen anzusehen, war mir die Sache sehr unangenehm. Man steht auf dem Lande nicht unter der Etikette des Handschuhes, aber freilich, die arbeitende Hand sollte sich auch für den Werktag nicht mit Ringen schmücken, immerhin ist die Vorliebe für Edelsteine in der Natur des Menschen begründet, seine Freude an Licht und Glanz zieht ihn zu den Steinen! - - Für meinen Diamantring hatte ich aber sogar eine Berechtigung, denn weder Verlobungs- noch Trauring läßt man gern vom Finger.
Vergebens suchte ich nach dem Steine; obgleich ich den zurückgelegten Weg wiederholt auf- und abging, fand ich den Diamanten nicht wieder und gab ihn schließlich verloren. Ich beabsichtigte, mir bei Gelegenheit einen neuen Stein in den Ring setzen zu lassen, doch, wie so oft, blieb es bei dem Vorsätze. Ich kam wohl einige Mal zur Stadt, aber andere Geschäfte nahmen mein Interesse in Anspruch, der Stein wurde nicht ergänzt.
Mit der vorschreitenden Jagdsaison, mit den Anstandsbesuchen, die man Vetter Lampe zu machen pflegt, stellte sich als bekannter Gast wieder der Rheumatismus bei mir ein. Schon oft hatte ich mit Erfolg gegen dieses Uebel Ameisenspiritus gebraucht. So nahm ich denn eine eng- halsige Glasflasche und begab mich in den nahen Wald; ich fand bald einen Ameisenhaufen; meine Flasche in denselben steckend, beobachtete ich mit Interesse die angerichtete
Revolution. Das Ameisenvölkchen that ganz verstört, übrigens gingen die Thierchen in die Falle, d. h. in meine Flasche; dieselbe begann sich zu füllen. Doch, was blitzte da mitten im Hausen? Neckte mich ein Spuk, oder war ich auf einen ungehobenen Schatz gestoßen?! — Ich griff hinein und zog meinen verlornen Diamanteil hervor! Das war ja die Illustration zu dem Märchen von den Schätze hütenden Ameisen! —
An jenem Tage, als ich den Diamanten verloren, war ich nicht vom Wege abgewichen, das wußte ich genau. Der Stein mußte also von den Ameisen von dem Fußpfade anfgelesen und in den einige zwanzig Schritte entfernten Bau getragen worden sein, aber weshalb, aus welchem Grunde?!— Sollte Habsucht oder Prachtliebe in den kleinen Thieren wohnen, oder wollten sie sich mit dem Hellen Stein in ihrer dunklen Wohnung leuchten? Der Sache nach soll ja Noah in seiner Arche kein anderes Licht gehabt haben, als das der mitgebrachten Edelsteine. Doch das ist eben Sage, der Edelstein blitzt nur im Licht, nicht im Dunklen, und somit stehen wir hier vor einem Problem im Wunderbuche der Natur!
E. Bruneck.
Aus der guten alten Zeit. Bei der Krönung des Kaisers Leopold in Frankfurt erschien nach den Memoiren des Ritters von Lang der Kurfürst von Mainz mit einem Gefolge von 1500 Menschen, unter denen sogar eine Amme und ein Kapaunenstopfer figurirten. Derselbe Autor giebt uns in den obenerwähnten Memoiren ein ergötzliches Beispiel von den Ceremonial-Streitigkeiten der kleinen und kleinsten Potentaten im Reiche. Lang erzählt: „Mitten in der Nacht brach ein so gräßlicher Sturm aus, daß ich schleunigst von Frankfurt heraus nach Offenbach, als dem Verdeck der deutschen Reichsgrafen-Deputation, einberufen wurde. Das kaiserliche Hosküchenmeister- amt hatte ein Verzeichniß sämmtlicher Schüsseln, wenn ich nicht irre, 37 an der Zahl, mitgetheilt, um sie zur Auflegung auf die Tafel an die hierzu bestimmten Reichsgrafen zu vertheilen. Nun war aber seit Carolo Mager, oder auch etwas später, das reichsgesetzmäßige Herkommen, daß jederzeit die erste Schüssel von einem Schwaben, die zweite von einem Wetteraner, die dritte von einem Franken und die vierte und so allemal die letzte von einem West- phälinger Grafen getragen werden mußte. Allein nach diesem Turnus hätte es sich getroffen, daß die 37 . Schüssel, als die allerletzte, Wiederaus einen schwäbischen Gras gekommen wäre, worüber alle anwesenden Schwaben in den heftigsten Unwillen ausbrachen, während gleichwohl auch keine der anderen Stände des Reichs dieser 37 . Schüssel sich an nehmen wollte. Es schien wenig zu fehlen, daß es nicht gar zu einem bürgerlichen Reichsgrafen-Krieg gekommen wäre. Die kaiserliche Hofküche schlng es geradezu ab, die verwünschte Schüssel etwa wegzulasseu, welches ihr auch nicht zu verdenken war, weil sie sich darüber mit aller: Küchenzetteln von Kaiser Rudolfus her auszuweisen vermochte. Endlich kam doch gleichsam wie vom Himmel Herder geistreiche Einfall, aus dieser großen Schüssel vier- kleinere zu machen, worauf denn die letzte richtig Wiederaus einen Westphälinger traf.
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Der Dichter Uhland verfocht einmal in einer Gesellschaft mit großer Wärme den Satz: „Jedes Ding hat zwei Seilen". Jeder Widerspruch verstummte allmählich vor den Worten des gefeierten Mannes und Uhland sah sich triumphirend im Saale um, er hatte gesiegt. „Und doch, lieber Ludwig," ließ sich plötzlich die sanfte,,Stimme der Frau Uhland, die neben ihrem Gatten saß, vernehmen, „und doch giebt es Dinge, die nur eine Seite haben." — „Und die wären?" — „Deine Briefe, lieber Ludwig." Lachend mußte Uhland eingestehen, daß seine Frau Recht und seine Briefe wirklich stets nur eine Seite hätten.