Heft 
(1.1.2019) 02
Seite
61
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Briefe ans der Zeit der Gordvn'schen Verwaltung unter Ismail Pascha

mitgetheilt von

JA. G. von Suttner.

(Fortsetzung.)

Chartum, 24. Oktober 1875. Der vor zwölf Togen von hier nach Gondokoro abgegnngene neue DanipferJsmailia" kehrte in Faschoda um, und lief gestern im hiesigen Hafen mit sehr betrübenden Botschaften ein. Ans dem Rapport an Baron von Hofmann ä. ä. 16. October haben Sie entnommen, daß die Schilluk-Neger revoltiren und die Haupt­stadt Faschoda angegriffen haben. Wenige Tage später fand eine neue Attake statt, wobei 36 Sol­daten todt auf dem Platze blieben. AlsJsmailia" in Faschoda ankam, ersuchte der Mudir Jusnf Bey den Schiffseapitttn, fünfzig Soldaten unter seinem eigenen Commando mit dem Dampfer nach Helet Kaka zurück zu führen, wo er die dort versammelten Insurgenten angreifen wollte. Diesem Ansinnen wurde entsprochen. In Helet Kaka vereinigte Infus Bel) die dortige Garnison (86 Mann) mit seiner Truppe, überdies noch 11 Mann Leibgarde und 2 Offiziere, also im Ganzen 150 bewaffnete Mann­schaft. Mit dieser Macht marschirte Infus Bey ans Helet Kaka in die 5 Minuten entfernte Ort­schaft, wo die Neger versammelt waren, um sie dort zu attakiren; Jusus Bey ritt seiner Truppe voraus. Inmitten der Straße, zwischen beiden Orten, sprangen die im Hochgrase versteckten Neger urplötzlich her­vor (in Anzahl von 6000 Mann) mit einer Rasch­heit, daß keine Zeit zur Besinnung und zu irgend welchem militärischen Commando war. Das Pferd des Jusnf Bey erhielt den ersten Lanzenstich und fiel zu Boden; Jusus Bey wurde im selben Augen­blicke mit einem Schlage auf das Hinterhaupt nie­dergestreckt und buchstäblich zerstückelt. Sein Kopf wurde auf einer Lanzenspitze als Trophäe im Tri­umph von Ort zu Ort unter Siegessang und Tanz herumgetragen. Die gesammte Truppe des Jusus Bey hatte man massakrirt 140 Mann und zwei Offiziere blos 8 Verwundete wurden nach Fa­schoda überführt, wo sie ihren schweren Wunden wahrscheinlich schon erlegen sind. Die ganze As- faire dauerte nicht länger als 15 Minuten.

Nach dieser Katastrophe machten die siegreichen Wilden Miene, auch den Dampfer im Hafen von HeletKaka anzugreifen. Die Neger sind in 13 Gruppen,

sÄlle Rechte Vorbehalten.^

je zu ungefähr 500 Mann herangerückt, wurden aber vom Schiff aus mit Remingtonkugeln uach- drücklichst begrüßt, wodurch nach den von Bord ab- gegangcnen 900 Flintenschüssen selbstverständlich ein paar hundert Neger gefallen sind und der Rest sein Heil in der Flucht suchte.

Die Wilden haben eine Kanone, einige hundert Flinten, das Pulverdepot, die Regimentseasie und die Maaren der in Helet Kaka ansässigen Händler erbeutet. Nach dieser Kriegsaffaire, welche von 8 Uhr Morgens bis 2 Uhr Nachmittags fortdauerte, überbrachte der Dampfer nach Faschoda die Trauer­botschaft, damit dort Sicherheitsmaßregeln für die Be­wohner getroffen werden, weil auch die Hauptstadt von lanzenbewaffneten Negermassen cernirt ist. Es mangelt in der Stadt an Brennholz, man reißt Strohhäuser nieder, um das Bauholz zum Noth- behels als Feuerungsmaterial zu benützen. Lange kann die Stadt in dieser unsicheren Situation nicht bestehen und es wird ein Glück sein, wenn die Wilden nicht auch mit ihren Lanzenmassen die Haupt-- stadt eines schönen Morgens oder in dunkler Nacht überfallen, um Alles niederznmachen, was leibt und lebt, wie es unverhofft dem Gouverneur Jusnf Bey widerfahren ist.

Die Einwohner haben Ordre, in bewaffneter Bereitschaft zu sein, und wer keine Waffe hat, be­kommt solche aus dem Arsenal. Auch die dem Co­lonel Gordon unterstehende Station Sobat, welche ebenfalls im Schilluk-Gebiete liegt, ist in stündlicher Gefahr, aufgerieben zu werden, weil deren Verthei- digung kaum 30 Mann iibersteigt.

Heute sind zwei Dampfer mit zwei Compag­nien Soldaten als Succurs von hier nach Faschoda abgegangen eine Compagnie Aegypter und eine Compagnie Schwarze im Ganzen etwa 100 Mann, weil die hiesigen Truppenabtheilungen nicht com- plet sind. Ob diese schwache Nachhülfe im Stande sein wird, Ruhe und Sicherheit in der insnrgirten Provinz Schilluk herzustellen, ist nach den vorher­gegangenen Ereignissen sehr zweifelhaft. Geheuer stehen die Dinge in den oberen Regionen des Bahr Abiad auch nicht, da Gordon Pascha seit dem