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A. G. v. Suttner.
Morde des Linant Bey zu einem Schlage gegen die Rebellen rüstet. Die Lage wird bei den allenthalben ungenügenden Militairbesatzungen und mitunter auch schlechten Bewaffnungen um so kritischer.
Ein gestern über diese Affaire ausgegebenes Telegramm wurde mir gestern mit dem Bemerken zurückgeschickt, daß Depeschen politischen Inhalts nicht expedirt werden dürfen. Man sollte wohl diesen importanten Vorfall auch S. E. Baron Hos- mann mittheilen. Hansal.
Chartum, 19. December 1875. — Die aus den Provinzen einlaufenden Nachrichten lauten allenthalben düster. Nachdem der Mudir von Faschoda den Lanzen der Schilluk-Neger erlegen, war es dringend nothwendig, einen neuen Gouverneur mit Truppenverstärkungen dahin abzuschicken. Der einstige Mudir von Faschoda, Ali Bey Knrdi, wurde vor drei Jahren als Verbrecher in Ketten nach Chartum gebracht, und unter Anklage über 96 Punkte vor das hiesige Tribunal gestellt. Die Untersuchung dauerte zwei Jahre. Während dieser langen Haft wurde Knrdi in die Verbannung nach Faschoda beordert, er wußte dies aber durch die beliebte klingende Ueberredung zu verhindern. Schließlich sprach man ihn wegen Mangels an Beweisen frei, und er lebte seit einem Jahre hier als Privatmann. In Anbetracht der gegenwärtigen politischen Wirren im Schilluklande wurde Knrdi wegen seiner Kenntnisse der dortigen Zustände neuerdings als Gouverneur von Faschoda eingesetzt, und er fuhr am 10. November mit Dampfer nach seinem neuen Posten ab. In Kana, zwei Tagfahrten von hier, horte er, daß die Schilluk mit ihren vielen tausend Ambatsch-Flößern die ganze Flußlinie beherrschen und kein Schiff passiren lassen. Er war genöthigt, in Kana anzuhalten, und durch einen Expressen von Chartum bewaffneten Succurs zu requiriren.. Da die hiesige Garnison so weit zusammengeschmolzen ist, daß sie kaum zur allernothwendigsten Stadtwache genügend ausreicht, so wurden Freiwillige nngeworben, welche 250 Mann stark am 30. November mit einem Dampfer und vier Segelbarken auf dem weißen Fluß abgingen, um sich dem Knrdi Bey anznschließen und die Durchfahrt nach Faschoda nöthigenfalls mit den Waffen zu erzwingen. Soeben trifft der Bericht hier ein, daß Knrdi Bey gleich nach seiner Ankunft in Faschoda die Rebellen angegriffen und dabei 20 Mann verloren, aber die unlängst eingebüßte Kanone zurückerobert, und sich dann, der Uebermacht weichend, zurückgezogen habe.
Drei Soldatenwachen wurden nächtlicher Weile von den Wilden überfallen, ermordet und ihrer Flinten beraubt. Ebenso sollen die Aufständigen ein Schiff gekapert und gänzlich vernichtet haben. Trotz Einfuhrverbotes hat ein renommirter Handels
jude eine Menge Waffen und Munition bei den Schilluk eingeschmuggelt und dort Sklaven dafür eingetauscht.
Bei den Baggara-Arabern und Nuba-Bewohnern ist gleichfalls Revolution ausgebrochen, da sie verweigern, den bisherigen Tribut an Aegypten zu entrichten. Der Statthalter von Kordvfan wird dadurch genöthigt, gegen die beiden abtrünnigen Stämme in's Feld zu ziehen.
Im vorigen Jahre gründete der Provicar der katholischen Mission für Centralafrika in Nuba eine Missionsstation, erbaute mehrere Hütten und etablirte dort etliche Missionäre. In den Sommermonaten verfügte sich der Oberhirt selbst aus seiner Residenz Chartum nach Nuba, um das Wirken seiner Glaubensboten in diesem neuen Felde der christlichen Liebe zu visitiren und die dortigen Landes- und Volksverhältnisse persönlich kennen zu lernen. — Daß derlei religiöse Anstalten, namentlich in so abgelegenen Winkeln der türkischen Oberhoheit, wo man so gerne Gesetze und Traktate aä nein legt, ein Splitter in den Augen der islamitischen Behörden find, läßt sich leicht begreifen. — Sei es wie es wolle, der Mudir in Kordofan fand durch die momentanen Unruhen in Nuba Anlaß, die Missionäre auf schlaue Manier zu entfernen; er ließ den Provicar wissen, daß jene Gebietstheile, in welchen sich das Missionsetablissement befindet, mit Krieg umzogen würden, wobei die Missionäre sehr leicht in Unannehmlichkeiten gerathen könnten; um allen Eventualitäten Vorznbengen rathe er ihm, sich vorläufig nach Kordofan zurückzuziehen, und falls ihm das genehm wäre, stelle er ihn gleichzeitig die nöthigen Kameele zur Verfügung. —
Der Provicar, im vollen Vertrauen auf die türkische Großmuth und Aufrichtigkeit, gab das kaum begonnene Bekehrungswerk in Nuba ans, benutzte den Edelmuth des guten Türken, und kehrte mit seinen Religiösen nach El Obeid zurück. Die Missionsbrüder blieben in der dortigen Station, während der Monsignore die Retirade fortsetzte und am 11. d. M. in Chartum anlangte. Heute Abend reist der Provicar nach Aegypten und Europa ab. —
Aus Darsur weiß man schon vom Anbeginn der Einnahme jenes Königreichs, daß zwischen den beiden Granden Ismail Pascha und Siber Pascha eine unversöhnliche Rivalität vorwaltet. Ismail ist Türke, Siber ein schwarzer Nubier. Der Erstere, als
Generalgouverneur, betrachtet sich als Oberer, der Letztere, als der eigentliche Eroberer Darfurs, null sich jenem nicht unterordnen. Ans unbekannten
Gründen hat Ismail zweimal schriftlich den Siber nach Fascher vor sich rufen lassen; da aber Siber weder antwortete, noch Folge leistete, so beorderte Ismail Pascha den Obersten Hassan Bey, mit einer entsprechenden Truppenabtheilung den Siber mit